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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Stephen seinen Bruder, den Bischof von Winchester, und den Erzbischof von Canterbury aus, um Friedensverhandlungen anzuknüpfen.
    Die beiden Bischöfe wurden in Oxford von der Bevölkerung mit Beifall empfangen. Der Erzbischof von Canterbury meinte verdrossen: »Das gilt ihm, nicht uns. Man kann sagen, was man will, er beherrscht die Kunst der Volksaufwieglung.«
    »Aber mein Bruder ist noch immer König«, warf der Bischof von Winchester ein, »und hat die Absicht, es auch zu bleiben. Dieser Plantagenet mag im Augenblick Erfolg haben, aber bald wird die Bevölkerung sehen, daß er auch nicht anders ist als seine Mutter, und Maude konnte sich zwanzig Jahre lang nicht als Königin durchsetzen.«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte der Erzbischof zweifelnd. »Was meint Ihr, Thomas?«
    Der Angesprochene schwieg, und der Erzbischof blickte ihn überrascht an. Thomas Becket war einer seiner bevorzugten jüngeren Diakone, der schon oft seinen überlegenen Verstand und sein hohes Einfühlungsvermögen in heiklen Situationen bewiesen hatte. Deswegen hatte der Erzbischof ihn als Begleiter für diese Mission ausgewählt. Er zog die Brauen hoch; Thomas war doch sonst so schnell mit einer Meinung zur Hand, die meist ins Schwarze traf. Warum zögerte er jetzt?
    »Ich denke«, sagte der siebenunddreißigjährige Becket schließlich, »daß man Henry Plantagenet besser nicht unterschätzen sollte.
    Es könnte gefährlich sein.«
    »Ach was - ein Mann, der sich eben nur gut mit dem Pöbel und Huren versteht«, sagte der Bischof von Winchester verächtlich.
    »Ein Mann, der in wenigen Monaten halb England auf seine Seite gebracht hat, ehrwürdiger Bischof.«
    »Thomas«, sagte der Erzbischof von Canterbury, »Ihr seid ein unverbesserlicher Schwarzseher. Immerhin, ich werde an Eure Warnung denken.«

    Henry wohnte mit seinen Hauptleuten bei den Augustinern. Die Bischöfe wurden von den Mönchen ehrfurchtsvoll, von den Soldaten ziemlich respektlos empfangen. Unbeirrt ließen sie sich zu Henry bringen, der sie in Hemdsärmeln, lässig an ein Fenster gelehnt, empfing.
    Der Erzbischof runzelte die Stirn. Henry bevorzugte Schlichtheit, doch war es nicht die Einfachheit eines Asketen oder Heiligen, sondern die eines Mannes, der sich unter Bauern genauso wohl zu fühlen vermochte wie im Staatsgewand unter Adligen, und das spürten die Leute. Thomas hat recht, dachte der Erzbischof, er ist gefährlich. Wo kommen wir hin, wenn die Beliebtheit einem König zum Sieg verhilft?
    »Was verschafft mir die Ehre?« fragte Henry spöttisch. Er musterte die drei Geistlichen. »Als mir Euer Besuch angekündigt wurde, wagte ich kaum zu hoffen, daß Ihr mit mir schon die Einzelheiten der Krönung besprechen wollt, hochwürdiger Erzbischof.«
    Der Erzbischof schnappte nach Luft, sagte jedoch nichts. Statt dessen sprach der Bischof von Winchester, Stephens Bruder.
    »Unverschämtheit hilft Euch auch nicht weiter, Henry Plantagenet. Wir kommen, weil es meinem Bruder, dem König, an der Zeit schien, Gespräche über den Stand der Dinge zu führen.« Die einfallende Sonne ließ Henrys Augenfarbe von Grün zu Grau wechseln.
    »Der Stand der Dinge ist sehr einfach. Ich gewinne, und er verliert.«
    »Seid Ihr dessen so sicher?« fragte der Protege des Erzbischofs von Canterbury, Thomas Becket. Er fragte es nicht entrüstet wie der Bischof von Winchester, sondern neugierig, mit einem sarkastischen Unterton.
    Henry sah ihn an; sein Interesse war geweckt. »Warum sollte ich nicht?«
    »Weil«, antwortete Thomas Becket, »Eure Glückssträhne unmöglich noch viel länger anhalten kann. Der König von Frankreich steht Euch feindlich gegenüber, Ihr müßt jederzeit damit rechnen, die Normandie und damit Euren Rückhalt auf dem Festland zu verlieren, und Ihr wißt genausogut wie ich, daß die Gunst des Volkes so wankelmütig ist wie das Wetter im April.«
    Unterdrückte Heiterkeit ließ kleine Fältchen um Henrys Augen entstehen. »Hochwürdiger Erzbischof, ich muß Euch ein Kompliment für Euren Begleiter machen«, sagte er. »Ich hatte nicht damit gerechnet, daß diese Begegnung so unterhaltsam werden würde.
    Doch ich muß Euch enttäuschen. Alle meine Lehen auf dem Festland sind mir vollkommen sicher, und ich bin bereit, darauf um jede beliebige Summe zu wetten. Und wer sagt Euch, daß ich mich auf die Gunst des Volkes verlasse? Ich habe hier Briefe von gewissen edlen Herren, die sich unter meinem Vetter Stephen anscheinend benachteiligt fühlen und sehr von einem

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