Die Löwin von Aquitanien
Alienors selbstbewußtes Auftreten hatte dafür gesorgt, daß keiner der ehrgeizigen Barone nach Auflösung ihrer Ehe mit Louis oder später in Henrys Abwesenheit den Aufstand gewagt hatte.
»Wie wäre es mit einem Kuß für den heimkehrenden Helden?«
»Wenn der heimkehrende Held mir verspricht, sich danach wenigstens einmal zu baden, dann könnte ich es mir vielleicht noch überlegen.«
Sie verbrachten das Weihnachtsfest in Poitiers und zogen im Januar des nächsten Jahres gemeinsam nach Barfleur. Als Henry sich von Alienor verabschiedete, die in seiner Abwesenheit nicht nur über Aquitanien, sondern auch über die Normandie und Anjou regieren würde, gab sie sich einen Ruck und sagte mit gespielt beiläufiger Zerstreutheit: »Ach, bevor ich es vergesse, Henry, ich habe noch eine Überraschung für dich.«
Er fuhr mit seiner Hand unter ihr Haar und hob sie hoch. »Du gehst auf einen neuen Kreuzzug.«
»Nein.«
»Du verläßt mich und kehrst zu Louis zurück.«
»Nein… aber ich werde es vielleicht tun, wenn du mich nicht sofort herunterläßt, du unerträgliches Ekel! Henry«, sie machte eine vielsagende Pause, denn sie konnte dem Pathos dieses Augenblicks nicht ganz widerstehen, »ich erwarte ein Kind!«
Statt einer Antwort wirbelte Henry sie von neuem herum, sie küßten sich lachend und lange, und schließlich sagte er bedauernd: »Du bist wirklich vollkommen herzlos, Geliebte. Ich habe eine Überfahrt vor mir, die Odysseus Angst eingejagt hätte, und nun machst du es mir noch viel schwerer, diese einladenden Gefilde zu verlassen.« Er hob ihr Kinn. »Und, Alienor, schon im ersten Jahr unserer Ehe, nachdem du sieben Jahre mit Louis verheiratet warst, ohne überhaupt schwanger zu werden - wie kannst du nur! Alle Frömmler werden enttäuscht sein.« Plötzlich warf er die Arme hoch. »Herrgott, das Leben ist herrlich!«
Henry, dem die Bedeutung von öffentlichen Gesten schon längst klar geworden war, kam am Dreikönigstag in England an, begab sich schnurstracks zur nächsten Kirche und betrat sie ausgerechnet in dem Moment, als der Choral begann: »Siehe, da kommt der König, der Sieger…« Die Geschichte machte natürlich sofort bei seinem Heer die Runde, und die Soldaten sorgten ihrerseits dafür, daß sie dem Volk zu Ohren kam.
Stephen, der sich darauf verlassen hatte, daß die Streitigkeiten mit dem französischen König Henry noch länger auf dem Festland halten würden, konnte nicht schnell genug Truppen ausheben und mußte sich auf seine flämischen Söldner verlassen, die er hastig nach Wallingford schickte, eine Burg, die von einem von Henrys wichtigsten Anhängern gehalten wurde.
Statt jedoch nach Wallingford zu eilen, marschierte Henry nach Malmesbury, eine der stärksten Garnisonen Stephens. Immer noch regnete es in Strömen, und Patrick von Salisbury, einer von Henrys ältesten Freunden in England, fluchte, als er den Eingang zum Zelt seines Feldherrn zurückschlug, um ihm zu melden, daß alle Vorbereitungen ausgeführt waren.
»Verdammte Jahreszeit, um Krieg zu führen!«
Henry grinste. Vor sich hatte er eine Karte liegen, und er war gerade dabei, sich mit kryptischen Kürzeln Notizen darauf zu machen.
»Was denn, Pat, bist du weich geworden, während ich nicht hier war?«
Salisbury entgegnete sarkastisch: »Wenn du unter ›weich‹ ein Leben verstehst, bei dem man nicht alle fünf Minuten etwas Neues an-fängt, sondern sich hin und wieder die Zeit nimmt, auszuruhen…
Aber im Ernst, Henry, dieser ständige Regen könnte uns Schwierigkeiten machen, vor allem, wenn es gilt, Flüsse zu überqueren. Ich hätte nie gedacht, daß du dich darauf versteifst, ausgerechnet jetzt Krieg zu führen.«
»Stephen auch nicht«, bemerkte Henry trocken. »Deswegen tue ich es. Was ist, sind die Männer in Stellung für den morgigen Angriff? «
»Das sind sie. Ich hoffe nur, du hast recht mit dem Überraschungserfolg. Sonst sitzen wir hier fest, während Stephen Wallingford ausblutet.«
Henry stand auf und griff nach dem Branntwein, der hinter ihm bereitstand. »Bei Gott, die Iren verstehen etwas vom Trinken! Wie wäre es, Pat, das wärmt dich.« Sein Freund schüttelte den Kopf. Henry nahm noch einen Schluck und sagte dann, auf die Karte deutend:
»Hör zu, Pat, wir werden hier siegen. Und damit haben wir eine der wichtigsten Festungen in der Hand. Was Wallingford betrifft, der teure Cousin meiner Mutter hat natürlich gehofft, mich dort festnageln zu können, während er sein Heer
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