Die Löwin von Aquitanien
entfernen, drehte sich ungeduldig um. »Ja?«
»Euer Bruder ist bei ihm. Er hat sich mit König Louis verbündet und alle Eure Provinzen zum Aufstand aufgerufen.« Der Bote wollte noch etwas hinzufügen, doch unterließ er es, als er die Miene des jungen Herzogs sah. Mit einem Mal glaubt er alle Legenden über die teuflische Abstammung der Plantagenets, glaubte die Berichte von ihrer ›gallenschwarzen‹ Wut und hoffte nur, daß sie sich nie, niemals gegen ihn richten würde.
»Heute ist Johannistag, nicht wahr?« fragte Henry unerwartet, und der Bote konnte nur stammeln: »Ja… ja, ich glaube schon, Euer Gnaden.«
»Merkt Euch diesen Tag«, sagte Henry leise. »Merkt ihn Euch.«
Henry verließ Barfleur unverzüglich. Er bestätigte nun die schlimmsten Befürchtungen seiner Gegner. In einer klaren Einschätzung der Fähigkeiten und Bedeutung seines Bruders, die für diesen um so beleidigender war, stufte er Geoff als zweitrangige Bedrohung ein, die ohne französische Unterstützung nicht viel wert war. Folglich wandte er sich als erstes gegen Louis.
Er brauchte weniger als sechs Wochen, um das von Louis’ Truppen besetzte Neufmarche wieder einzunehmen, und drängte die Armee des Königs von Frankreich dann bis zu den Grenzstädten der Normandie zurück. Dort hinterließ er starke Garnisonen und ordnete einen weiteren Festungsausbau an. Dann nahm er sich Geoff vor, der sich von dem kreuzzugserfahrenen Louis doch sehr viel mehr versprochen, niemals mit einem so schnellen Sieg seines Bruders gerechnet und deswegen keine ausreichenden strategischen Vorbereitungen getroffen hatte.
Henry benötigte nur einen weiteren Monat, um Anjou zu unterwerfen, und trieb seinen Bruder in die Enge, bis Geoff schließlich, nach einigen aufreibenden Belagerungswochen, nichts anderes übrigblieb, als seine Burg Montsoreau zu übergeben und Henry um Gnade zu bitten.
Henry stand unter dem Löwenbanner der Plantagenets. Er trug seine vollständige Rüstung, was Geoff durchaus als die Herausforderung empfand, als die es gedacht war. Er straffte sich, würgte dann seinen Haß die Kehle hinunter und sagte mühsam: »Bruder, ich bin gekommen, um mich und die meinen in deine Gewalt zu geben.«
»Wie außerordentlich gnädig von dir«, erwiderte Henry schneidend, »zumal dir nichts anderes übrigbleibt. Habt ihr schon angefangen, die Pferde zu verspeisen, Geoff, oder hat Louis euch ein paar Hostien als Wegzehrung hinterlassen? «
Sein Bruder errötete heftig. »Verdammt, Henry, wir sind Brüder!«
»Wann ist dir das eingefallen, Geoff - vor fünf Minuten? Glaubst du wirklich, du brauchst nur an mein Familiengefühl zu appellieren, und schon spielen wir das Gleichnis vom verlorenen Sohn? Du hast mich nicht nur als Bruder verraten, sondern auch als Lehnsherrn, und außerdem hast du versucht, meine Gemahlin zu entführen! Sag mir einen Grund, warum ich dich schonen sollte, Bruder.«
Die blinde Wut machte Geoff furchtlos. »Hölle, ich habe nur gewollt, was mir ohnehin schon gehört! Ich habe ein Anrecht auf Anjou! Du bist es, der hier der Verräter und Rechtsbrecher ist! Und was die Dirne betrifft, die du da geheiratet hast, ich wette, wenn es mir gelungen wäre, sie gefangenzunehmen, hätte sie auch für mich die Beine gespreizt! Sie…«
Geoff stockte, denn Henrys eisengeschützte Hand hatte sich um seine Kehle geschlossen. Mit der anderen drückte er seinen Bruder langsam in die Knie. »Sag mir, was mich daran hindert, dich hier und jetzt zu töten, Geoff«, flüsterte Henry mit eiskalter Stimme. »Sag es mir.«
Sein Bruder schnappte verzweifelt nach Luft und ächzte: »Brudermord… die Kirche… waffenlos…«
Henrys Griff wurde noch fester, dann ließ er ihn jäh los und stieß ihn zurück. »Nein«, sagte er kurz. »Es ist nur die Tatsache, daß du es nicht wert bist, sich die Hände schmutzig zu machen. Verschwinde, Geoff. Ich werde keinen von deinen Männern bestrafen, obwohl ich sie wegen Rebellion hängen könnte. Aber es wäre doch sehr ungerecht, sie für die Torheit eines Narren verantwortlich zu machen, oder?«
Geoff blieb im Schlamm liegen, während Henry sich entfernte.
Ohne es zu bemerken, rieb Geoff sich die Kehle. »Das wirst du bezahlen«, stieß er hervor, aber so leise, daß Henry es nicht hören konnte.
Louis blieb nichts anderes übrig, als mit Henry Waffenstillstand zu schließen, und da der Winter nahte, verzichtete dieser zunächst auf eine Überfahrt nach England und kehrte zu Alienor zurück.
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