Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
der Name des Eroberers, weißt du.«
    Sie faltete geistesabwesend den Brief wieder zusammen. »Henry kehrt zurück«, sagte sie versonnen.
    Petronille schwieg; Alienor war in diesem Augenblick offensichtlich mit ihren Gedanken meilenweit entfernt.
    Nach einiger Zeit sagte die Jüngere ohne Bosheit, aber mit einem gewissen Tadel in der Stimme: »Du liebst ihn wirklich, nicht wahr?
    Es hat wohl wenig Sinn, zu erwähnen, daß du Louis das Herz gebrochen hast.«
    Alienor seufzte und zog eine Grimasse. »Nein, es hat wenig Sinn.
    Louis tut mir leid, aber er hat mir schon von dem Moment an leid getan, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, und auf die Dauer ist das einfach nicht auszuhalten. Außerdem hätte ich ihm auch das Herz gebrochen, wenn ich geblieben wäre. Menschen wie Louis sind dazu bestimmt, ständig verletzt zu werden. Und wenn dir das herzlos vor-kommt, dann denk daran, daß du nicht fünfzehn Jahre lang mit einem 167
    Mann verheiratet warst, der sich ständig bemühte, ein zweiter Bernhard von Clairvaux zu werden!«
    Petronille war zwischen Mißbilligung und Amüsement hin- und hergerissen. Nur Alienor hatte das Talent, ihre Fehler so darzustellen, daß sie zum Lachen reizten! Um auf ein anderes Thema zu kommen, erkundigte sie sich: »Hast du deinem Gemahl schon geschrieben, wie du mit seinem Bruder verfahren bist?« Alienors Mundwinkel zuckten. »Nein, das ist mein Überraschungsgeschenk für ihn.«
    Der unverbesserliche Geoff hatte natürlich geglaubt, mit Henry in England leichtes Spiel in Anjou und der Normandie zu haben. Er rüstete zu einem neuen Aufstand, was Alienor durch die Spione, die sie auf ihn angesetzt hatte, erfuhr. Sie zog nicht gegen ihn zu Felde, sondern lud ihn zu einem Turnier an ihrem Hof ein, und ihr eitler Schwager unterschätzte sie zu seinem Unglück zum zweiten Mal. Er kam, geschmeichelt von der Einladung an ›den ersten Ritter im Land‹ und vielleicht auch mit ehebrecherischen Absichten, und weilte seitdem als ›geehrter Gast‹ in einer gutbewachten Burg des Poitou, auf die Hinterlist der Weiber fluchend.
    »Übrigens bilde ich mir nicht ein, daß nun alle Schwierigkeiten mit Geoff beendet sind«, ergänzte Alienor. »Früher oder später müssen wir ihn freilassen, wenn wir ihn nicht zum Märtyrer machen wollen, und die Normannen haben ein so verdrehtes Erbrecht, daß er mit einer gewissen Berechtigung von Henry wenigstens einen Teil der Ländereien seines Vaters fordern kann - was ihm immer wieder Anhänger verschaffen wird. Nun, nichts ist vollkommen!«
    Petronille betrachtete ihre Schwester und fragte sich, wie es Alienor nur fertigbrachte, sich weder Sitte noch Anstand, sondern stets nur ihren eigenen Gesetzen zu beugen und dennoch bei so vielen Menschen Bewunderung und Liebe auszulösen. Sie liebte ihre Schwester, obwohl sie sie nicht im mindesten verstand. Aber die glänzende, beunruhigende ältere Schwester, in deren Schatten sie aufgewachsen war, war stets für sie dagewesen, wenn es darauf an-kam. Auch jetzt, nach Raouls Tod, hatte Petronille den französischen Hof sofort verlassen und war zu Alienor gekommen. Sie erinnerte sich an den Besuch der beiden Plantagenets in Paris, an das Fest, als 168
    Henry mit Alienor getanzt und irgendeine lateinische Ode zitiert hatte, und fragte sich, ob sie, wenn sie diesen Tag noch einmal mitmachen würde, diesmal ein Gefühl der Vorahnung hätte.
    Als sie Henrys Ankunft erlebte - Alienor war ihm in die Normandie entgegengezogen -, war sie sich dessen sicher. Unmöglich, die ungeheuere Leidenschaft zwischen diesen beiden Menschen zu über-sehen. Gewiß, es war üblich, daß eine Dame ihren Gemahl nach langer Abwesenheit mit einem Kuß begrüßte, doch es lag nichts Formelles in der Art, in der Henry und Alienor aufeinander zuliefen und sich in die Arme fielen.
    Nachdem Henry seinen Sohn gesehen hatte, konnte er seine Augen nicht mehr von Alienor lösen, und das Paar schockierte nicht nur Petronille, sondern den versammelten Hofstaat, als es sich aus einem sehr offensichtlichen Grund zurückzog, ohne auch nur den Versuch einer Entschuldigung zu machen. Raoul de Faye, der durch ihre Mutter mit Alienor und Petronille verwandt und mit Henry in England gewesen war, meinte in einem Versuch, das verlegene Schweigen aufzulockern: »Nun, was soll man bei unserem jungen Paar anderes erwarten!«

    Henry und Alienor verbrachten das Jahr abwechselnd in der Normandie und in Aquitanien. Das Osterfest begingen sie in Rouen, wo Henrys Mutter,

Weitere Kostenlose Bücher