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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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die Kaiserin Maude, mit ihrem jüngsten Sohn Gilles nun residierte. Maude war alt geworden; sie ähnelte, auf geradezu unheimliche Weise, ihrem Cousin Stephen. Beiden sah man die Verbitterung an, die der jahrelange Kampf hinterlassen hatte.
    Henrys Gefühle für seine Mutter waren sehr gemischt. Einerseits bewunderte er ihren Mut und die Halsstarrigkeit, mit der sie so lange in einer feindlichen Umwelt ihr und sein Erbe verteidigt hatte. Maude, einstmals Kaiserin über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, Enkelin des Eroberers und widerwillige Gattin Geoffrey Plantagenets, rang selbst ihren Feinden Achtung ab, und sie als Mutter gehabt zu haben, hatte Henry von Anfang an vor dem Irrtum bewahrt, in Frauen das schwächere Geschlecht zu sehen. Andererseits hatte sie nicht nur um das Königreich gekämpft, sondern auch mit ihrem Gemahl um die Loyalität ihrer drei Söhne. Maude und Geoffrey hatten sich schon in der Hochzeitsnacht so heftig zerstritten, daß Geoffrey seine Gemahlin am nächsten Tag verstieß, und nur der Zwang, mit Stephen zu konkurrieren und für Erben zu sorgen, hatte sie wieder zusammengebracht. In Henrys Kindheit hatte er von seiner Mutter immer nur Schlechtes über seinen Vater gehört. Geoffrey hingegen hielt sich den meisten Teil der Zeit mit Bemerkungen über seine Gemahlin zurück, zumindest in Gegenwart seiner Söhne.
    Schon während der ersten Jahre in England hatte Maude ihren Sohn dann einer Begegnung ausgesetzt, die er Maude nie ganz verzeihen konnte, auch wenn sie aus großer Verzweiflung heraus gehandelt hatte.
    Maude und Stephen hatten gerade wieder einen Waffenstillstand geschlossen, der aber nicht lange zu halten versprach. So begab sie sich mit dem elfjährigen Henry zu einer Begegnung mit Stephen auf neutralem Boden. Henry erinnerte sich noch genau, wie sie ihn mit eiskalter Stimme vor ihren Rivalen stellte:
    »Cousin, ich möchte, daß du ihn zu deinem Erben machst. Dann würde ich auf meine Ansprüche verzichten.«
    »Und warum sollte ich?«
    »Weil er nicht Geoffreys, sondern dein Sohn ist.«
    Henry war kalkweiß im Gesicht geworden. Stephen hatte einen flüchtigen Blick auf ihn geworfen und verachtungsvoll gesagt:
    »Das ist eine Lüge, Maude, und du weißt es. Es ist nur einmal passiert. Warum tust du dem Jungen das an? Ich habe mich schon immer gefragt, ob es irgend etwas gäbe, vor dem du zurückschrecken würdest, um die Macht zu bekommen. Jetzt habe ich meine Antwort.«
    Seit damals war Henrys Empfindung für seine Mutter zu einem guten Teil von Haß bestimmt. Er baute sein ganzes Dasein auf die Überzeugung, Geoffrey Plantagenets Sohn zu sein, und konnte ihr nicht vergeben, daß sie diesen geheimen Zweifel in ihm ausgelöst hatte, obwohl er ihn nur zu um so leidenschaftlicherer Parteinahme für seinen Vater trieb.

    Das Leben in Rouen, wo sie bis zum Sommer blieben, verlief daher nicht ohne Spannungen, doch im großen und ganzen glücklich, besonders, als Alienor Henry eines Tages mitteilte, daß sie wieder ein Kind erwartete.
    »Diesmal habe ich auch eine Überraschung für dich«, erwiderte Henry. »Rate!«
    »Du gibst Geoff die Normandie und Anjou.«
    »Fast. Ich entlasse ihn aus deiner Gastfreundschaft und lade ihn nach Rouen ein, aber das ist nicht die eigentliche Neuigkeit. Rate noch einmal.«
    Sie stützte sich auf einen Ellenbogen. »Du hast aus Dankbarkeit über deinen Sieg ein Keuschheitsgelübde abgelegt.«
    »Was sonst? Also, höre und staune - Louis hat den Waffenstillstand mit mir um ganze zwei Jahre verlängert. Er muß nämlich durch Aquitanien ziehen, um nach Santiago de Compostela zu pilgern…
    und ein Vöglein hat mir gesungen, daß seine Pilgerreise noch einen weiteren Zweck hat.«
    »Der König von Kastilien hat ihm seine Tochter angeboten.«
    Nun war es an Henry, verblüfft zu sein. »Woher weißt du das?«
    »Weil meine Spione etwas schneller sind als deine, Geliebter…
    was ganz natürlich ist. Ich habe, wenn du so willst, bessere… Verbindungen am französischen Hof.«
    »Du verdammte Teufelin«, schloß Henry, nicht im geringsten ärgerlich, und lachte. »Weiß Gott… wie leer und langweilig wäre das Leben ohne dich, Alienor.«

    Am zweiten November, als sie in Bordeaux hofhielten, fast ein Jahr nach Henrys triumphalem Einzug in London, kam aus England ein Eilbote des Grafen Salisbury mit der Nachricht, daß Stephen, seit zwei Jahrzehnten König von England, am fünfundzwanzigsten Oktober 1154 verstorben war. Henry und Alienor trafen

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