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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sofort Reisevorbereitungen.
    Sie nahmen den Weg über Rouen. Als Henry seine Mutter auf-suchte, schwieg sie lange und sagte schließlich mit ausdrucksloser Stimme: »Nun bist du also König von England.«

    »Der erste aus dem Haus Plantagenet«, antwortete er ebenso ausdruckslos. »Und ich habe Euch etwas zu sagen, was Euch freuen wird. Ich werde Geoff freilassen. Er wird an meiner Krönung teilnehmen, aber, ebenso wie Gilles, als freier Mann. Es wäre doch etwas peinlich, wenn der Bruder des englischen Königs den gefangenen Helden spielen könnte.«
    Maude nickte abwesend. »Ich werde versuchen, Geoff seine Torheiten auszureden, Henry. Wenn wir also dann die Krönung in Westminster begehen…«
    »O nein«, unterbrach Henry sie kühl, aber gelassen. »Nicht wir.
    Ihr werdet nicht dabeisein, teure Mutter.«
    Zum ersten Mal schoß etwas Farbe in Maudes bleiches Gesicht.
    »Wie meinst du das, Henry?«
    »Ich meine«, entgegnete Henry schroff, »daß Ihr überhaupt nicht nach England kommen werdet, nie mehr in Eurem Leben, Mutter. Ihr könnt über alle meine Burgen und Städte auf dem Festland verfügen und seid dort jederzeit ein geehrter Gast - aber Ihr werdet England nicht mehr betreten.«
    Maudes Antlitz war aschgrau. »Das… das kannst du nicht tun.«
    »Nein? Wirklich nicht?« Die Kaiserin atmete schwer. »Mein ganzes Leben lang habe ich um das Königreich gekämpft, für dich gekämpft, und jetzt…« Henry unterbrach sie mit schneidender Stimme:
    »Für mich? Bleiben wir doch bei der Wahrheit, Mutter. Ihr habt immer und überall nur für Euch gekämpft. Lebt wohl.«
    Maude blieb zusammengesunken auf ihrem Schemel sitzen. Er würde es ihr tatsächlich antun. Es war die perfekte Rache für etwas, das in seinem zwölften Lebensjahr geschehen und seitdem von ihr fast vergessen worden war. Sie begann zu weinen.

    In Barfleur wurde Henrys und Alienors Euphorie jäh getrübt. Seit Tagen herrschte schon schlechtes Wetter, doch nun brach ein entsetzlicher Sturm los, der kein Ende nehmen wollte.
    »Euer Gnaden«, sagte einer von Henrys Gefolgsmännern resigniert, als es bereits dämmerte, »es sieht so aus, als säßen wir vorerst hier fest. Die Seeleute sagen, es könnte noch zwei Wochen dauern, ehe die See ruhig genug für eine Überfahrt ist.«
    »Wochen in Barfleur«, murmelte Geoff, an seinen sehr viel jüngeren Bruder Gilles gewandt. »Herrlich.«
    Henry drehte noch nicht einmal den Kopf. Statt dessen schaute er zu Alienor. Sie lächelte. Er nickte unmerklich und sagte dann laut:
    »Der Teufel soll mich holen, wenn ich mir von einem lächerlichen Sturm Angst einjagen lasse. Wir fahren noch heute abend!«
    Sein Gefolge erstarrte, und Geoff explodierte: »Bist du wahnsinnig geworden? Bei diesem Wetter? Selbst wenn wir um unser Leben fliehen müßten, wäre es nicht zu rechtfertigen, und erst recht nicht jetzt! Das kannst du nicht…«
    »Mein lieber Bruder«, sagte Henry bissig, »wenn ich dir je zeigen muß, was ich kann und was nicht, dann wird das kein angenehmer Tag für dich, das schwöre ich dir.«
    Geoff zögerte. Seit dem Tag der Übergabe von Montsoreau, als er Henrys Hand an seiner Kehle gespürt hatte, hegte er haßerfüllte Furcht vor seinem älteren Bruder. Doch wenn er nicht selbst sterben wollte, galt es, Henry diese irrsinnige Idee auszureden.
    »Deine Gemahlin ist schwanger«, sagte er, nach einem Strohhalm greifend, »und wenn du darauf bestehst, wird sie das Kind verlieren.«
    Henry legte Alienor die Hand um die Taille. »Hast du Angst, mein Herz?« fragte er mit spöttischer Zärtlichkeit.
    In demselben Tonfall erwiderte sie: »Um nichts in der Welt möchte ich die Gelegenheit versäumen, mit dir zusammen zu ertrinken.«
    »Dann ist es also entschieden«, sagte Henry und gab seinem ungläubigen Gefolge das Zeichen zum Aufbruch.
    Als sie an Bord waren, stellte er sich auf das Vorderdeck, schrie gegen den Wind an und bewies einmal mehr sein Talent als Rhetoriker: »Habt keine Furcht, gute Leute«, rief er, während Regen und Salzwasser ihm ins Gesicht peitschten, »heute ist Nikolaustag, und der Heilige der Seefahrer und Reisenden wird uns beschützen! Wer ist hier so ein schlechter Christ, daß er am heiligen Nikolaus zweifelt? «

    Der Nebel war so dicht, daß man kaum die Hand vor Augen erkennen konnte, die Wellen waren höher als jedes durchschnittliche Haus und das königliche Gefolge so seekrank, daß sie nicht mehr imstande waren, auch nur einen Finger zu rühren - nur Alienor und Henry,

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