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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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das unheilige Paar, standen in der Mitte des tobenden Gewitters an Deck, boten sich, an den Rahen festgeklammert, dem Wind dar und schienen die Überfahrt für nicht mehr als ein neues Abenteuer zu halten.
    »Der heilige Nikolaus«, sagte Alienor kopfschüttelnd. Sie mußte schreien, um sich verständlich zu machen, und Henry brüllte zurück, obwohl er direkt neben ihr stand: »Es war das Beste, was mir einfiel… sonst hätte ich auf den Satan zurückgreifen müssen!« Blitze zuckten, und Alienor rief bedauernd: »Ich gehe lieber unter Deck, um mich um die Amme zu kümmern! Ich möchte nicht wissen, was aus Guillaume wird, wenn sie uns hier in Ohnmacht fällt!«
    Eine Nacht und einen Tag lang segelten sie gegen das Unwetter, bis sie in Southampton an Land gingen. Die Geschichte, wie der neue König einem der schlimmsten Stürme des Jahres getrotzt hatte, um in sein Königreich zu gelangen, verbreitete sich in Windeseile und machte den sagenumwobenen neuen König noch populärer.
    Zwölf Tage nach ihrer Ankunft wurden Henry und Alienor in Westminster Abbey zu König und Königin von England gekrönt.
    Henry war zweiundzwanzig, Alienor zweiunddreißig Jahre alt. Sie war im siebenten Monat schwanger, ohne das geringste Anzeichen von Müdigkeit zu zeigen.
    In England war es üblich, daß König und Königin bis zur Hüfte entblößt knieten, während der Erzbischof von Canterbury das heilige Öl auf das Haupt, die Schultern und die Brust goß. Als der Erzbischof Alienor salbte, lächelte das Königspaar einander an. Henry machte mit dem Kinn eine Bewegung zum Erzbischof hin und kniff ein Auge zu. Gegen alle Erwartungen - gegen Feinde und Gezeiten und die Zeit selbst - hatten sie gewonnen.

    Der alte Palast von Westminster war völlig heruntergekommen und fast unbewohnbar, daher wählten Henry und Alienor vorerst einen Palast in der City von London, Bermondsey, als ihre Residenz.
    Bermondsey lag an der Themse, dem Tower gegenüber, und während Alienor auf die Geburt ihres Kindes wartete, konnte sie die zahlreichen Barken und Schiffe beobachten, die den Fluß hinuntersegelten und Englands bekanntestes Exportgut, Zinn, in alle Welt brachten.
    Am achtundzwanzigsten September brachte sie ihren zweiten Sohn zur Welt, der nach seinem Vater Henry genannt wurde. Sie hatte die Zeit der Muße dazu genutzt, um sich genau über die wirtschaftlichen Zustände ihres neuen Reiches berichten zu lassen, und das Gehörte war erschreckend, wenngleich nicht vollkommen unerwartet. Der zwei Jahrzehnte währende Bürgerkrieg hatte die königliche Zentralgewalt auf einen winzigen Restbestand vermindert; jeder Baron fühlte sich als sein eigener Herrscher und hatte die Zeit genutzt, um ungestört Land an sich zu reißen und zu plündern; Steuern waren schon seit Ewigkeiten nicht mehr gezahlt worden, und die königlichen Beamten wirtschafteten nur noch in die eigene Tasche.
    Henry und Alienor begannen schon drei Monate nach ihrer Krönung mit einer Reise durch das ganze Land, bei der jeder Sheriff persönlich zur Rechenschaft gezogen wurde und jede Ortschaft Gelegenheit erhalten sollte, beim Königspaar selbst Beschwerde zu führen. Vorher allerdings galt es, einen Unbestechlichen, einen Kanzler zu finden, einen Mann, der ebenso fähig wie klug war, der mit dem Klerus umgehen konnte, mit dem selbstherrlichen Adel fertig wurde und außerdem dem König treu ergeben war.
    »Das wäre ein zweiter Merlin«, meinte Alienor resigniert, »du wirst Abstriche machen müssen.«
    Henry schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Ich glaube, ich kenne einen solchen Mann.«

    Jener Geistliche, der damals die beiden Bischöfe begleitet hatte, war inzwischen von seinem Gönner, dem Erzbischof von Canterbury, zum Erzdiakon befördert worden. »Nun, Becket«, sagte Henry, als der neue Erzdiakon vor ihm niedergekniet war und seinen Krönungsring geküßt hatte, »so sieht man sich wieder. Es scheint, daß wir beide um einen neuen Titel reicher sind.«

    »Und um eine Last schwerer«, erwiderte Thomas Becket schlag-fertig. Henry war angenehm überrascht.
    »Zum Teufel, Ihr habt zuviel Geist für einen Geistlichen, Becket.
    Ihr braucht dringend ein weiteres Betätigungsfeld, und ich brauche einen Kanzler. Seid Ihr für diese Aufgabe zu haben?«
    »Das ist nicht Euer Ernst«, sagte Becket bewegungslos.
    Henry grinste. »Haltet das einem König lieber nicht vor, sonst wird er es am Ende bestätigen. Aber wirklich, Becket«, seine Stimme klang nun nicht mehr ironisch, »man

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