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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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hat mir erzählt, daß Ihr ehrgeizig seid, und ich halte Euch für den fähigsten Mann in diesem Königreich. Was meint Ihr?«
    Der Erzdiakon blickte den lebenssprühenden jungen Mann vor sich an und erinnerte sich unwillkürlich daran, wie ihm der Erzbischof von Canterbury genau dieselbe Frage gestellt hatte.
    Henrys grüne Augen bohrten sich in seine hellblauen.
    »Könntet Ihr mein geschworener Mann sein«, fragte der König langsam, »mir immer treu ergeben und bereit, das Beste für mein Reich zu tun?«
    Zu ihrem Verhängnis kam es keinem der beiden in den Sinn, daß in dieser Frage eigentlich zwei Aufgaben ausgesprochen waren. Henry Plantagenet sah nur einen intelligenten Mann vor sich, zu dem er sich hingezogen fühlte, und auch Thomas Becket spürte die Anziehungskraft seines Gegenübers voller Spottlust und Lebensfreude, so ganz anders als die Prälaten, die seine tägliche Umgebung bildeten.
    »Ja, das kann ich«, antwortete Becket aufrichtig und mit ganzem Herzen.
    Henry bedeutete einem Pagen, ihnen den bereitgestellten Wein zu bringen, und schenkte ihn in zwei Becher ein. Es war Burgunder, süß und rot wie Blut, erst vor einer Woche die Themse heraufgekommen.
    »Trinken wir«, sagte Henry übermütig. »Das ist ein Pakt. Auf die Zukunft!«
    Thomas Becket lachte plötzlich und verschluckte sich. Als er aufgehört hatte zu husten, brachte er hervor: »Gewöhnlich werden nur Bischöfe Kanzler. Euer Klerus wird entsetzt sein, mein König!«
    Henry zwinkerte ihm zu. »Genau deswegen tue ich es!«

    Mit Henry zu leben, hatte etwas von einem ständigen Abenteuer.
    Er war von derselben Rastlosigkeit getrieben wie Alienor. Die Kontrolle ihrer Beamten und Repräsentationspflichten lieferten ihm die willkommene Rechtfertigung, alle paar Tage ihren Aufenthaltsort zu wechseln. Innerhalb von zwei Monaten besuchten sie von Oxford, Winchester und Wallingford, Rouen und Caen sowie Bordeaux und Poitiers, ohne zu ermüden. Henry übertrug Alienor von Anfang an einen großen Teil der Rechtsprechung und des Geldwesens, und das nicht nur in Aquitanien, sondern auch und gerade in England. Viele der Urkunden, die in die endlosen Landstreitigkeiten Ordnung bringen sollten, trugen ihre Unterschrift und ihr persönliches Siegel.
    Allerdings ließen sich die Sorgen um ein riesiges Königreich »größer als alles seit Karl dem Großen«, bemerkte Henry einmal niemals und nirgendwo ganz verdrängen. Mitten in einer Umarmung konnte Henry plötzlich fluchen: »Die verdammten Schotten, ich bin überzeugt, daß sie ein Bündnis mit den Walisern im Sinn haben«, oder ihm fiel Alienors geistesabwesender Blick auf, wenn er sie gerade streichelte. »Was hast du?«
    »Die Steuern… wir haben noch immer viel zu wenige, die sie bezahlen, und so viele Ausgaben…«
    »Herrgott, Alienor, kannst du nie aufhören?«
    »Nein. Kannst du es denn?«
    »Nein.« Er seufzte. »Das ist unser Schicksal.«
    Louis, dem seine neue Gemahlin eine weitere Tochter geschenkt hatte, fand sich endlich bereit, Alienors Ehe mit Henry und dessen Rechte auf Aquitanien anzuerkennen. Als Gegenleistung verlangte er Henrys erneuten Lehnsschwur und forderte, daß ihm Alienor seine Töchter, Marie und Alix, schickte. Da Alienor wußte, daß Louis ihr die beiden nie für immer wegnehmen würde, willigte sie ein. Schon bald kam die Nachricht, daß Louis Marie und Alix trotz ihres kindlichen Alters mit den beiden Blois-Brüdern, den Grafen der Champagne, verlobt hatte.
    Verlobungen von Kindern waren bloße Gesten und konnten bis zur Heirat noch ein dutzendmal aufgelöst und neu geknüpft werden, doch diese Geste bewies, daß sich Louis die großen Rivalen der normannischen Herzöge als Verbündete sichern wollte. Thibaud de Blois und sein Bruder schienen ihre Zwistigkeiten beigelegt zu haben, doch Geoff Plantagenet entfachte im Frühsommer 1156, als Alienor ihr nächstes Kind erwartete, einen neuen Aufstand in Anjou.
    Während Henry zum Festland übersetzte, reiste Alienor durch den Süden Englands, um sich die dortigen Beschwerden anzuhören. So mußte sie beispielsweise in Reading einen Zwist zwischen den Mönchen des dortigen Klosters und einem der ansässigen Barone schlichten, der während Stephens Regierung fast alles Land des Klosters an sich gerafft hatte. Er zeigte sich starr und unnachgiebig, bis Alienor, des selbstherrlichen Edlen müde, ihrem Schreiber diktierte: »Die Mönche von Reading haben bei mir Klage geführt, man habe ihnen Unrechtens in London Äcker

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