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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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gekommen, und da er ein skrupelloser Mann war und um die Natur des Königs wußte, ließ er sich von seiner jungen Tochter begleiten.
    Henry nahm sich Rosamond wie zahllose andere Frauen auch, doch bald entdeckte er, daß er begann, Gefühle für sie zu entwickeln.
    Rosamond, eine blonde, makellose Madonna, wie er sie nannte der Vergleich schockierte sie -, war in jeder Beziehung anders als Alienor: sanft, nachgiebig, nie widerspenstig, sondern im Gegenteil jeder seiner Launen ergeben, und beruhigende Wärme, wo Alienor Feuer war. Mit einem Wort: genau das, was er jetzt brauchte. Er beschloß, Rosamond zunächst bei sich zu behalten.
    Alienor, die von all dem nichts ahnte, gebar inzwischen in Angers ein Mädchen, Joanna. Doch kurz bevor ihre Wehen einsetzten, kam die Nachricht, die niemand mehr erwartet hatte - Louis’ dritte Gemahlin hatte ihm endlich einen Sohn geschenkt, der auf den Namen Philippe getauft und in ganz Frankreich mit triumphalen Feiern bejubelt wurde.
    Damit zerschlugen sich die Pläne von einem vereinten englisch-französischem Königreich, doch Henry begegnete dem, indem er nach der Heirat seines ältesten Sohnes und Namensvetters mit Marguerite noch eine weitere Verbindung schloß. Louis’ vierte Tochter Alais wurde mit Richard verlobt, und um die bretonische Bevölkerung mit seiner Herrschaft zu versöhnen, verlobte Henry auch gleich seinen Sohn Geoffrey mit der letzten indirekten Erbin der bretonischen Herzöge, der jungen Constance. Mit Hinblick auf das kindliche Alter hatten die Verlöbnisse keine weiteren direkten Konsequenzen, als daß die kleine Alais an Alienors Hof geschickt wurde.
    Alienor und Henry verbrachten den Winter in Poitiers und die ersten Frühlingsmonate in England - von Rosamond war keine Rede -, doch gegen Ostern brach Henry auf, um einen Feldzug gegen Wales zu führen.
    Alienor erwartete erneut ein Kind und empfand ihren Zustand zu-nehmend als Last. Zudem war eine Geburt für eine Frau ihres Alters nicht ungefährlich. Inständig hoffte sie, nun bald nicht mehr empfangen zu können.
    Alienor weilte in Oxford, als ihre beiden ältesten Söhne, die ihren Vater ins Feld begleitet hatten, merkwürdig schweigsam zurückkehrten. Sie scheuten sich erstmals, von ihren Erlebnissen zu sprechen, brachen manchmal mitten im Satz ab und wichen Alienors fragen-dem Blick aus. Nach einigen Tagen entschloß sie sich, der Sache endlich auf den Grund zu gehen.
    »Also«, sagte sie, als Hal und Richard wieder ausweichen wollten,
    »was ist geschehen? Habt ihr irgend etwas angestellt, oder ist nur die Welt untergegangen?«
    »Nein«, sagte Hal verlegen, »nur…«
    Richard trat ihm auf den Fuß. Hal verstummte, besann sich dann aber doch eines Besseren. Er war elf Jahre alt und sah Raymond von Tag zu Tag ähnlicher; nur hatte er nicht seine Geduld, sondern statt dessen ihre eigene Ruhelosigkeit.
    »Sie soll es erfahren«, sagte Hal brüsk zu seinem Bruder. Dann starrte er auf seine Fußspitzen und murmelte, ohne sie anzusehen:
    »Unser Vater beleidigt Euch, Mutter, und unsere ganze Familie, indem er mit seiner Dirne offen zusammenlebt.« Er hatte nicht umsonst in Beckets Obhut gelebt; man merkte es seinem Wortschatz an, als er fortfuhr: »Es ist nicht nur, daß er durch Ehebruch sündigt, er behandelt sie, als wäre sie die Königin, und hat von uns verlangt, daß auch wir sie so behandeln. Und außerdem hat er sie in Eurem Palast untergebracht, Mutter, und das nun schon seit fast einem Jahr.«
    »Wo?« fragte Alienor tonlos. Sie bewegte sich nicht; sie hätte aus totem Holz sein können wie die Jahrmarktsfiguren, die man jetzt, da der große Markt in Oxford eröffnet worden war, überall auffinden konnte. »In Woodstock.«
    Richard war wütend auf Hal, daß er von Rosamond Clifford er-zählt hatte, obwohl sie sich gegenseitig versprochen hatten, nichts zu sagen. Er hatte geahnt, daß es seine Mutter verletzen würde, doch er war nicht auf diesen Anblick gefaßt gewesen. Das Licht in ihren Augen schien zu ersterben, die Pupillen zogen sich zu winzigen Punkten zusammen, und sie sah kalt und tot aus. »Mutter!«
    »Es ist gut, Richard«, murmelte sie. »Laßt mich bitte allein, alle beide.«
    Die Jungen waren von ihrer plötzlichen Veränderung so erschreckt, daß sie widerspruchslos gehorchten. Doch Alienor merkte kaum, daß sie sich entfernt hatten. Sie stand in dem kleinen Raum, in dem ihre Söhne untergebracht worden waren, ohne sich zu rühren.
    Sie spürte eine Bewegung in ihrem Leib und

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