Die Löwin
Condottiere in den Diensten Seiner Herrlichkeit des Herzogs Gian Galeazzo.«
Der aufmüpfige Wächter wich zurück. »Verzeiht, Euer Hochwohlgeboren, das wusste ich nicht.«
»Jetzt weißt du es!« Rodolfo trieb seinen Rappen an, ritt durch das Tor und erreichte nach wenigen Schritten den einzigen Marktplatz des Örtchens, auf dem die Bauern der Umgebung gerade ihre Waren feilhielten. Da Rodolfo die Zügel schleifen ließ, hielt der Rappe schnurstracks auf einen Gemüsestand zu und rupfte ein Bündel Karotten heraus.
»Elendes Vieh!«, schrie der Bauer und hob einen Stock, um nach dem Tier zu schlagen.
»Das würde ich lieber nicht tun«, riet Rodolfo ihm und schnürte lachend seine Börse auf. »Hier, das wird wohl reichen.« Er warf dem Bauern eine Münze zu und zog sein Pferd mit einem energischen Ruck zur Seite.
»Verdammter Gaul! Wenn du so etwas noch einmal machst, esse ich dich als Salami!«, drohte er leise. Der Rappe kaute trotz der tadelnden Stimme seines Herrn gemütlich auf seinen erbeuteten Karotten herum. Er schien Rodolfo gut zu kennen, denn dieser ließ ihn seine Beute verzehren und schaute sich in der Zeit gründlich um.
Da er in dem bunten Markttreiben keines der Galgenvogelgesichter ausmachen konnte, denen er auf seiner Suche so oft begegnet war, nahm er an, dass der Podesta die Macht in der Stadt immer noch fest in den Händen hielt. Das beruhigte ihn, enttäuschte ihn aber gleichzeitig, denn damit war unwahrscheinlich, dass hier Menschen von Räuberbanden gefangen waren, die sich heimlicher Gönner in höheren Kreisen erfreuten. Banditen mit solchen Kontakten wurden nämlich öfter dafür eingesetzt, persönliche Feinde ihres Schutzherrn zu beseitigen, und hätten durchaus für den Mord an Monte Elde verantwortlich sein können.
Rodolfo ritt mit seinen Begleitern durch die engen Gassen des Ortes zum Hauptplatz, um den sich einige Häuser wohlhabender Bürger, die Kirche, die eher schlichte Residenz des Podestas und das Zeughaus gruppierten. Die Schildwache vor dem Palazzo sah ihn und seine Begleiter kommen und schrie etwas durch ein offen stehendes Fenster. Sofort liefen mehrere Knechte ins Freie, um die Pferde zu übernehmen, und einen Augenblick später erschien auch der Majordomo. Er begrüßte die Ankömmlinge und warf dann einen kritischen Blick auf deren staubige, verschwitzte Kleidung. »Wollen die Signori sich etwas frisch machen, bevor sie mit meinem Herrn zusammentreffen?«
Rodolfo schüttelte den Kopf. »Das Bad kann warten! Ich will zuerst die Gefangenen sehen.«
»Sehr wohl.« Die Miene des Majordomo zeigte deutlich, was er von dieser dem Rang des Gastes unangemessenen Eile hielt. Rodolfo war jedoch nicht in das Städtchen gekommen, um mit dem Podesta zu speisen, dabei stundenlang Artigkeiten auszutauschen und schließlich feststellen zu müssen, dass er nur seine Zeit verschwendet hatte.
Der Majordomo kehrte ins Haus zurück, schien sich drinnen aber auf seine Pflichten zu besinnen, denn zwei Mägde traten heraus und kredenzten Rodolfo und seinen Männern gut gekühlten Wein. Wenig später tauchte auch der Podesta auf und begrüßte seinen Gast so überschwänglich wie einen lange vermissten Freund.
Ein paar Atemzüge lang ließ Rodolfo den Redeschwall über sich ergehen, brachte aber dann das Gespräch auf die Räuber. Der Podesta lächelte selbstzufrieden und betonte, dass seine Männer die gesamte Bande gefangen genommen hätten. »Es war ein Fehler von ihnen, sich hier herumzutreiben, denn nach dem ersten Überfall haben wir sofort energische Gegenmaßnahmen ergriffen und die Kerle auch bald erwischt. Es handelt sich um keine der seit längerem existierenden Banden, sondern um einen erst vor wenigen Wochen zusammengelaufenen Haufen. Einer der Kerle hat unter der Folter gestanden, die Räuber zu kennen, die Monte Elde getötet haben! Natürlich habe ich noch am gleichen Tag eine Nachricht an den Marchese Olivaldi geschickt und ihn gebeten, Euch Bescheid zu sagen.«
Rodolfo stieß die angehaltene Luft aus und nickte. »Ich danke Euch!«
Der Podesta begriff, wie angespannt sein Gast war. Er rief ein paar Wachen zu sich und führte Rodolfo über den Innenhof seines Palazzo zu einer Tür, durch die man einen Verbindungsgang zum Kerker betreten konnte. Der oberirdische Teil dieses Gebäudes bestand aus wuchtigen Steinquadern und enthielt vier Zellen, die mit dicken, eisenbeschlagenen Türen verschlossen waren. Von dem kleinen Flur aus führte eine Treppe in den Keller,
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