Die Löwin
Neapel, um einen aufmüpfigen Lehensmann Seiner Heiligkeit zur Räson zu bringen.«
»Er ist wohl oft fort?« Bianca schien Caterina zu bedauern, aber der Unterton in ihrer Stimme verriet eine gewisse Selbstzufriedenheit, denn ihr Mann wich kaum von ihrer Seite.
Die Herzogin von Molterossa lachte hell auf. »Nicht sehr oft – und bisher konnte ich ihn meistens begleiten. Schließlich gelte ich immer noch als die Capitana der Eisernen Kompanie, auch wenn Rodolfo sie führt.«
Bianca schüttelte in gespieltem Entsetzen den Kopf. »Sag bloß, du reitest immer noch den Söldnern voran, bekleidet mit einem Harnisch und in dieser absolut unschicklichen Art auf dem Pferd sitzend?«
Sie hört sich fast so an wie Malle damals, fuhr es Caterina durch den Kopf. Für einen Augenblick war sie froh, dass viele hundert Meilen Weges und hohe Berge zwischen ihnen lagen, denn so ehrpusselig, wie Bianca sich jetzt gab, hätte sie den Besuch ihrer Freundin wohl nicht häufig ertragen können. Mit einem gewissen Schuldgefühl dachte sie an die enge Verbundenheit, die früher zwischen ihnen geherrscht hatte. Jetzt war Bianca ganz die achtbare Ehefrau eines schwäbischen Edelmanns geworden und erinnerte sich offensichtlich nur noch selten und dann wohl mit einem erschreckten Kreuzzeichen an jene frühere Zeit.
»Wie geht es eigentlich Botho?«, fragte Caterina, um das erschlaffende Gespräch wieder zu beleben.
»Prächtig!«, antwortete Bianca mit leuchtenden Augen. »Er weilt derzeit bei einem Geschäftsfreund in Florenz, wird aber nächste Woche kommen, um mich hier abzuholen. Wir wollen nach Rom weiterreisen. Du kommst doch hoffentlich mit?«
»Gerne! Ich nehme an, ich werde dort auf Rodolfo treffen, sowie er seine Aufgabe erledigt hat. Dort wollten wir noch etwas anderes klären. Wir haben nämlich einen ehrenvollen Antrag für Francesca erhalten. Du erinnerst dich doch sicher an Aldobrando di Muozzola aus Rividello. Er war einige Jahre Offizier in der Eisernen Kompanie und hat später von einem Verwandten ein Lehen in der östlichen Romagna geerbt. Zwar ist er dreizehn Jahre älter als das Mädchen, doch die Verbindung wäre für Francesca ein großer Erfolg.«
»Di Muozzola?« Bianca runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach, als müsste sie diesen Namen in den tiefsten Verliesen ihres Gedächtnisses suchen. »Ach ja! Ich glaube, ich erinnere mich. Aber entscheide du, meine Liebe, ob du ihm das Mädchen geben willst. Du wirst es schon richtig machen. Schau dir doch meinen kleinen Artmuto an! Ist er nicht ein kleiner Sonnenschein?«
»Das ist er«, stimmte Caterina ihr zu. Ihr Blick wanderte von Biancas Sprössling zu ihren beiden Söhnen hinüber und zu Biancas Töchtern, die ihr beide verstehend zuzwinkerten. Zusammen mit Rodolfo bildeten die vier eine wunderbare Familie, und sie befand, dass das Schicksal sie sehr reich bedacht hatte.
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Geschichtlicher Überblick
N ach dem Untergang des Römischen Reiches stellte Italien keine politische Einheit dar, sondern war nicht mehr als ein geographischer Begriff. Im Norden herrschten die Langobarden, in Rom, im Süden und in Venedig das Oströmische Reich. Während Venedig seine Unabhängigkeit erringen und diese bis zum achtzehnten Jahrhundert behaupten konnte, geriet der südliche Teil der oströmischen Herrschaftsgebiete in Italien an die Langobarden, Sarazenen und später an die Normannen.
Die Langobarden wurden ihrerseits von den Franken unter Karl dem Großen unterworfen und ihr Land zählte später als Königreich Italien zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Den Päpsten gelang es mit einer geschickten Schaukelpolitik, ihre Unabhängigkeit zwischen dem Heiligen Römischen Reich im Norden und den Normannen zu bewahren. Diese geriet jedoch in höchste Gefahr, als auch der Süden durch Heirat an die Dynastie der Staufer fiel.
Um dieser Umklammerung zu entgehen, setzten die Päpste alles daran, die Staufer zu vernichten. Ein Kaiser nach dem anderen wurde gebannt, Gegenkaiser wurden aufgestellt und äußere Feinde zu Hilfe gerufen. Nachdem mit Konradin der letzte legitime Staufererbe ausgeschaltet war, fielen Sizilien und der Süden an eine Nebenlinie des französischen Königshauses, bis sie vom Königreich Aragon erobert wurden und für Jahrhunderte zu Spanien zählten.
Im Norden bestand die Herrschaft der römisch-deutschen Kaiser über das Königreich Italien nominell weiter, doch dessen Machtstrukturen waren im Kampf zwischen der Partei des
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