Die Löwin
diesen Ruf gewartet. »Euer Gnaden befehlen?«
»Sende sofort einen Boten nach Pisa zu meinem Neffen. Amadeo soll umgehend nach Molterossa kommen, um neue Befehle entgegenzunehmen.« Der Herzog wollte sich schon abwenden, als ihm einfiel, dass eine solche Handlung Monte Eldes Tochter beleidigen könnte. »Er soll diese Tedesca mitbringen! Ich hoffe nicht, dass ich dem Weibsbild Zimmerarrest verordnen muss, um seine Zustimmung für meine Pläne zu erhalten.«
Die Vorstellung, dass er gezwungen war, sich des Wohlwollens eines jungen Mädchens versichern zu müssen, um seinen Kampf gegen Mailand fortführen zu können, bereitete ihm Bauchschmerzen.
»Weibern gehört ein Strickzeug in die Hand gedrückt und ein paar Ohrfeigen verpasst, damit sie kuschen!«, stellte er grimmig fest. Doch genau dieses Mittel konnte er bei Caterina di Monte Elde nicht anwenden, und das machte ihn ebenso wütend wie sein Unvermögen, den Plänen des Visconti die entsprechenden Mittel entgegenzusetzen.
7.
C aterina sah dem Reitertrupp zu, der unter Steifnackens Kommando auf einem abgeernteten Weizenfeld Manöver übte und dabei so geschickt vorging, dass Mann und Pferd wie ein Fabeltier auf Dutzenden von Beinen wirkten, die sich im gleichen Takt bewegten. Das Training schien den Söldnern Spaß zu machen, denn sie lachten begeistert auf, wenn sie mit ihren Lanzen die Vogelscheuchen trafen, die man mit Lappen in den Farben der Visconti behangen hatte.
Kaum hatte ein Trupp seine Übung beendet, ritt auch schon der nächste auf das Feld. Steifnackens Worten zufolge gab es in einem Söldnerlager nichts Schlimmeres als eintöniges Herumlungern. Das brachte die Leute nur auf dumme Gedanken, und daher beschäftigte er sie tagtäglich mit verschiedenen Manövern und Waffenübungen, ließ sie die Ausrüstung flicken und primitive Belagerungsgeräte bauen, die abends wieder auseinander genommen wurden. Dabei bildete er ganz nebenbei die neuen Offiziere aus. Neben Amadeo Caetani, Botho Trefflich und den beiden de-Rumi-Brüdern hatte Caterina auf Steifnackens Rat noch einige erfahrene Söldner zu Unteranführern befördert, darunter auch Friedel und den Veteranen Martin, der mit ihr aus Eldenberg gekommen und eigentlich schon zu alt war, um noch in der Formation reiten zu können. Doch jeder dieser Männer und ihre Erfahrung wurden gebraucht.
»Wollt Ihr nicht auch einmal versuchen, die Strohkameraden zu treffen, Capitana?«, rief ein Söldner Caterina zu.
Sofort richteten sich Hunderte erwartungsvoller Augen auf sie, und einer der Männer trabte auf sie zu und streckte ihr seine Lanze entgegen. »Euer Vater, Capitana, hat jede Vogelscheuche genau am Kopf getroffen«, erklärte er dabei.
Caterina ahnte, wie wichtig ihre Reaktion auf die Aufforderung zu diesem ihr unbekannten Söldnerritual war. Wenn sie sich weigerte, das Spiel mitzumachen, würde sie von nun an außerhalb ihrer Gemeinschaft stehen. Sie wäre zwar noch die Besitzerin, aber nicht mehr die Anführerin und geriete in Gefahr, die Kontrolle über die Truppe zu verlieren. In der Geschichte der Condottieri war es schon oft genug vorgekommen, dass Söldner einen unfähigen Anführer zum Teufel schickten – meist mit Dolch oder Speer –, um sich einen Capitano nach eigenem Belieben zu wählen. Wenn sie aber der Aufforderung ihrer Männer Folge leistete und sich blamierte, wäre das ihrem Ruf auch nicht gerade förderlich. Sie atmete einmal tief durch, ergriff die Lanze und legte sie so an, wie sie es bei ihren Reitern gesehen hatte. Der Mann, der ihr die Waffe gereicht hatte, nickte anerkennend und wies auf die erste Reihe der jeweils in gerader Linie aufgestellten Vogelscheuchen.
»Ich habe mit einigen Kerlen gewettet, dass Ihr wenigstens eine trefft!« Er lachte fröhlich auf und gab ihr den Weg frei.
Die Stute, die Caterina aus dem Bestand der Truppe als persönliches Reittier gewählt hatte, tänzelte nervös. »Vorwärts, Pernica!«, rief sie und drückte dem Pferd den stumpfen Sporn in die Weiche. Sie war eine recht gute Reiterin, doch noch nie hatte sie sich so unsicher gefühlt wie jetzt, denn seitlich sitzend hielt sie die schwere Lanze in der Hand und musste die Zügel in der Linken führen. Die erste Vogelscheuche schoss förmlich auf sie zu. Sie versuchte, die Spitze ihrer Waffe auf sie zuzuschwenken, fuhr damit aber nur durch die Luft.
Einige Söldner lachten auf, andere riefen ihr aufmunternde Worte zu. Die zweite Vogelscheuche kam heran und diesmal verfehlte die
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