Die Löwin
machte sie der alten Frau keinen Vorwurf. Den verdienten eher die beiden Ausreißerinnen. Caterina wollte schon zu einer Strafpredigt anheben, als sie sich an ihre Jugend erinnerte und verständnisvoll zu lächeln begann. Damals hatte Malle ihr gedroht, sie festzubinden, so besessen war sie als Kind von den dunklen Kellern und verschlungenen Gängen der alten Burg gewesen. Ein Söldnerlager war jedoch etwas anderes als das eigene Heim, mochte es auch noch so groß und düster sein. Caterina nahm zwar nicht an, dass einer der Männer den Kindern etwas antun würde, dennoch wollte sie die beiden munteren Wesen nicht noch darin bestärken, sich der Aufsicht ihrer Hüterin zu entziehen.
»Ich glaube, ich bringe euch besser zu eurer Mama.« Kurz entschlossen stieg Caterina ab, führte ihre Stute bis zu den beiden wie erstarrt wirkenden Mädchen und hob das ältere auf das Pferd. Dann nahm sie Giovanna auf den Arm und stieg mit ihr in den Sattel.
»Das letzte Stück reiten wir. Ich hoffe, es gefällt euch!« Sie erhielt keine Antwort. Die Jüngere klammerte sich ängstlich an sie, während Francesca sich sichtlich aufrichtete, als hätte sie sich gerade daran erinnert, dass ein großes Mädchen wie sie keine Furcht zeigen durfte. Dennoch griff Caterina mit der Zügelhand um sie herum und zog sie an sich.
Einige Söldner sahen ihr dabei zu und nickten zufrieden. Für die Männer waren die Kleinen die Töchter ihres verehrten Capitano und damit die Schwestern ihrer neuen Anführerin. Also war es Caterinas Aufgabe, sich um die beiden zu kümmern. Zu sehen, wie behutsam sie mit den Kindern umging, verstärkte das Vertrauen der Männer, dass ihre Capitana genauso sorgfältig auf das Wohl der Kompanie achten würde.
Caterina ließ die Stute im Schritt gehen, hielt sie vor ihrem Zelt an und rief nach Malle, die ihr die Kinder abnehmen sollte. Ihre Dienerin sah die beiden Mädchen strafend an und drohte ihnen mit dem Zeigefinger. »Ihr bösen Dinger! Was fällt euch ein, der armen Munzia einfach davonzulaufen? Sie hat sich schon große Sorgen um euch gemacht hat. Und eure Mama erst! Dafür gibt es heute Abend keinen Nachtisch!«
Die beiden begannen zu weinen, wohl mehr wegen des scharfen Tonfalls als wegen der Strafe, doch Malle ging nicht darauf ein, sondern pflückte sie wie Früchte vom Pferderücken und stellte sie auf den Boden. Caterina schwang sich ebenfalls aus dem Sattel und strich ihren Schwestern tröstend über die Haare. »Wenn ihr den Rest des Tages ganz brav seid, wird Malle es sich gewiss noch überlegen und euch doch noch einen Nachtisch geben.«
»Ihr dürft diese Ausreißerinnen nicht noch unterstützen!«, grummelte die Magd und scheuchte die Mädchen zu dem Zelt, das einst Caterinas Bruder Jakob und ihr Vetter Fabrizio Borelli bewohnt hatten und welches nun Bianca als Quartier diente. Dann wandte sie sich an ihre Herrin. »Es ist ein Bote gekommen, der mit Euch sprechen will.«
»Ein Bote? Von wem denn?« Caterina erwartete, den Namen Iacopo Appiano zu hören, doch Malle nannte den Herzog von Molterossa.
»Ach ja, Signore Amadeo will er auch sprechen. Wie es aussieht, hat der Herzog einen Auftrag für uns«, setzte Malle hinzu.
»Einen Auftrag?« Caterina erschrak, das konnte nur eines bedeuten: sie würde in den Krieg ziehen müssen. Das Spiel, in das sie mit der Übernahme der Kompanie hineingeraten war, drohte ernst zu werden, und sie fragte sich besorgt, wie sie es ertragen würde, ihre Männer in ein Gefecht zu schicken, im dem sie den Tod finden konnten.
Malle las ihr die Gedanken von der Stirn ab und schnaubte. »Ihr habt die Sache begonnen, also steht sie auch durch!«
Ihre Herrin starrte sie verdattert an. »Aber ich habe doch gar nichts gesagt!«
»Aber sehr laut gedacht! Jungfer, ich kenne Euch, seit Ihr in meine beiden Hände gepasst habt, und ich weiß vielleicht mehr über Euch als Ihr selbst. Ihr befindet Euch jetzt in einer schwierigen Lage, denn Ihr seid geschaffen, um Leben zu gebären und nicht zu nehmen. Dennoch werdet Ihr wohl bald Euren Männern befehlen müssen, andere zu töten. Das aber mussten schon andere Frauen vor Euch tun, und sie haben mit ihren Taten ein leuchtendes Beispiel gegeben. Erinnert Euch an Giuditta, die Oloferne erschlug und damit Israel rettete! Oder an die Richterin Debora, die die Führung ihres Volkes ergriff und es zum Sieg führte, als die Männer bereits alles verloren gegeben hatten. Herrin, Ihr seid die Tochter des Reichsritters Franz von
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