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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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blind, sondern auch taub gewesen.
    Er hegte nun keinen Zweifel mehr, daß die äußerlich so grundverschiedenen Männer Böses im Schilde führten und in Ereignisse verstrickt waren, deren Tragweite Tobias überhaupt nicht absehen konnte.
    Gestern noch war seine kleine Welt überschaubar und in Ordnung gewesen - heute aber .
    »Was habt ihr mit Kristine getan?« brach es aus ihm hervor.
    »Kristine?« echote Henninger.
    »Gmelins Tochter«, erklärte Auer. »Sag bloß, du weißt nicht, daß dieser kleine Dummkopf hinter jeder Futt der Stadt her ist?«
    Tobias wäre dem Schmied am liebsten an die Gurgel gesprungen. Aber Henningers nächste Worte bremsten sein Ungestüm, das ohnehin wenig Aussicht auf Verwirklichung gehabt hätte.
    »Nichts haben wir mit irgend jemandem getan«, sagte der Färber. Er klang auch jetzt keineswegs freundlich, aber doch auf eine Weise gelassen, daß Tobias sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, Kaspar Henninger hielte sich keineswegs für jemanden, der anderen Menschen Schaden zufügte. Im Gegenteil. Für einen kurzen Mo-ment wirkte nicht nur er, sondern auch Auer auf Tobias, als glaubten sie, sich einer guten und gerechten Sache verschrieben zu haben. Dem Gemeinwohl .
    Doch dann wurde dieser tröstliche Eindruck wieder von Auers Hand zerstört.
    Die Hand, die Tobias strafte. Die erneut auf geradezu unheimliche Weise durch das Hemd und durch die Haut hindurch nach seinem Innersten zu greifen schien, sich eiskalt um sein Herz schloß und - In Tobias brach ein Damm.
    Ein Faden - stärker als jede Spinne ihn zu weben vermocht hätte -riß, und haltlos trieb das Bewußtsein des Jünglings für eine unbestimmbare Spanne durch undurchdringlichen Nebel. Er hörte und sah nichts mehr. Ähnlich wie Minuten zuvor - und doch ganz anders .
    Als er wieder zu sich kam, traute er seinen Augen nicht, denn die Hand des Schmieds war von ihm abgefallen. Beide, Auer und Henninger, starrten ihm völlig perplex nach, denn er befand sich schon an der Haustür und versuchte gerade den Riegel zurückzustemmen, den Henninger vorgeschoben hatte .
    »Halt ihn auf! Tu es, verdammt!«
    Henningers Stimme war von jäher Hysterie verfärbt. Und Auer ... Nun, der Schmied wirkte, als hätte ihm jemand einen Hammer gegen den Kopf geschlagen. Dumpf stierte er auf die Hand, von der er behauptet hatte, sie würde sich um Tobias kümmern und nichts mehr entrinnen lassen, was sie einmal zu packen bekommen habe!
    Tobias hatte noch nie einen Menschen so sehr in seinen Grundfesten erschüttert gesehen wie Balthasar Auer. Alles, woran er zeitlebens Halt gefunden hatte, schien zerbrochen zu sein, von einem unseligen Augenblick zum anderen!
    Tobias empfand dennoch nicht das leiseste Mitleid. Weder für Auer, noch für dessen Freund, der ebenfalls wie angewurzelt dastand, als wären sie beide außerstande, das Versagen der Hand zu begreifen.
    Der Hand .
    Tobias stöhnte in Erinnerung an die Schmerzen, die sie ihm zugefügt hatte. Und zugleich stellte er betroffen fest, daß er über sie wie über eine eigenständige Person dachte .
    Der Riegel rutschte aus der Nabe.
    Die Tür schwang auf.
    Im selben Augenblick überwanden auch die beiden Männer ihre Starre. Sie verlagerten ihr Gewicht, duckten die Oberkörper wie sprungbereite Tiere und stoben hinter Tobias her, der mit ungelenken Bewegungen hinaus auf die Straße hastete.
    Als er über die Schulter schaute, sah er Auer als ersten im Türrahmen auftauchen. Der breitschultrige Riese hatte den Arm nach ihm ausgestreckt, als bildete er sich ein, ihn damit selbst über eine ellenlange Distanz hinweg wieder einfangen zu können.
    Und Tobias' Körper geriet ins Straucheln, als er sah, wie die Finger des Schmieds, die Finger der linken Hand, sich nach ihm ausstreckten, dabei lang wie die Tentakel eines Meeresungeheuers wurden und - ---ihn berührten?
    Ihn kalt zwischen den Schulterblättern packten, um das schwache Fleisch zu durchstoßen und wie Klammern um sein Rückgrat zu krümmen .?
    Tobias richtete seinen Blick wieder nach vorn.
    So schnell wie noch nie in seinem Leben rannte er zwischen der schräg gegenüber von Henningers Haus gelegenen Schmiede und einem anderen Anwesen hindurch und brach ins dornige Dickicht eines verwilderten Gartens.
    Er schrie.
    Er brüllte.
    Und begriff nicht, daß ihm niemand zu Hilfe eilte.
    Daß kein einziges Fenster, keine einzige Tür aufgestoßen wurde und Bürger herausschauten, um zu ergründen, was sich direkt vor ihrer Haustür abspielte .
    Andere

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