Die Loge
die Alliierten mehrfach gedrängt haben, sich dagegen auszusprechen – ist nach den Worten der Holocaustforscherin Susan Zuccotti eine Tatsache, die »selten bestritten wird, sich auch nicht bestreiten läßt«. Das gilt auch für die Unterstützung und Fluchthilfe, die kirchliche Würdenträger Adolf Eichmann und anderen prominenten Nazis nach der Kapitulation des Dritten Reichs gewährten.
Verteidiger von Papst Pius XII., darunter auch der Vatikan selbst, haben ihn als Freund der Juden geschildert, dessen unermüdliche, im stillen wirkende Diplomatie Hunderttausenden von Juden das Leben gerettet habe. Seine Kritiker haben ihn als berechnenden Politiker hingestellt, der bestenfalls eine gefühllose, ja fast verbrecherische Gleichgültigkeit gegenüber den Leiden der Juden bewies oder schlimmstenfalls tatsächlich als Komplize am Holocaust beteiligt war.
Ein vollständigeres Porträt von Papst Pius XII. ließe sich durch die Auswertung der im vatikanischen Geheimarchiv liegenden Quellen zeichnen, aber auch über ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende weigert sich der Heilige Stuhl weiterhin, Historikern auf der Suche nach der Wahrheit seinen Archivfundus zugänglich zu machen. Statt dessen hält er daran fest, daß Historiker nur die elf Bände Archivalien, vor allem diplomatische Depeschen aus der Kriegszeit, einsehen dürfen, die von 1965 bis 1981 veröffentlicht wurden. Auf diesen unter dem Titel Actes et Documents du Saint Siège relatifs à la Seconde Guerre Mondiale veröffentlichten Unterlagen basieren viele der wenig schmeichelhaften historischen Schilderungen der Rolle der Kirche im Weltkrieg – und das sind nur die Dokumente, die der Vatikan der Welt erlaubt zu sehen.
Wieviel weiteres Belastungsmaterial könnte noch im Geheimarchiv lagern? Um der Kontroverse um seinen belagerten Papst möglichst die Spitze abzubrechen, berief der Vatikan im Oktober 1999 eine Kommission aus sechs unabhängigen Historikern ein, um sie das Verhalten von Pius XII. und dem Heiligen Stuhl im Zweiten Weltkrieg untersuchen zu lassen. Nach Durchsicht der bereits veröffentlichten Dokumente gelangte die Kommission zu folgendem Schluß: »Kein ernsthafter Historiker könnte annehmen, daß die veröffentlichten, editierten Bände uns die ganze Geschichte erschließen würden.« Sie legte dem Vatikan eine Liste von siebenundvierzig Fragen vor und forderte darüber hinaus weiteres Material aus dem Geheimarchiv an – Unterlagen wie »Tagebücher, Memoranden, Terminkalender, Sitzungsprotokolle, Entwürfe« und die persönlichen Papiere hoher Vatikanbeamter.
Zehn Monate vergingen ohne Antwort. Als klar wurde, daß der Vatikan nicht die Absicht hatte, die Dokumente freizugeben, löste sich die Kommission unverrichteter Dinge auf. Der Vatikan warf den drei jüdischen Kommissionsmitgliedern aufgebracht »eindeutig unkorrektes Verhalten« und eine »Rufmordkampagne« gegen die Kirche vor, erhob aber keine derartigen Vorwürfe gegen die drei katholischen Mitglieder. Nach Informationen der englischen Zeitung The Guardian wurde der Zugang zum Geheimarchiv »durch eine Verschwörung unter Führung des vatikanischen Staatssekretärs Kardinal Angelo Sodano blockiert«. Kardinal Sodano sei gegen eine Öffnung des Archivs, weil dies einen ungemein gefährlichen Präzedenzfall schaffen und den Vatikan weiteren historischen Untersuchungen aussetzen könnte – zum Beispiel hinsichtlich der Beziehungen des Heiligen Stuhls zu verbrecherischen Militärdiktaturen in Lateinamerika.
Doch auch innerhalb der Kirche gibt es offenbar Männer, die sich wünschen, der Vatikan würde sein Handeln im Zweiten Weltkrieg vollständig offenlegen und darüber hinaus seine Schuld durch die kircheneigene Verfolgung der Juden deutlicher anerkennen. Erzbischof Rembert Weakland aus Milwaukee scheint einer davon zu sein. »Wir Katholiken haben uns unseren jüdischen Brüdern und Schwestern gegenüber jahrhundertelang in einer Art verhalten, die Gottes Geboten widerspricht«, erklärte Erzbischof Weakland der Schalom-Gemeinde in Fox Point, Wisconsin, im November 1999. »Dieses Verhalten hat der jüdischen Gemeinschaft im Lauf der Zeit sowohl physisch als auch psychisch geschadet.«
Daran schloß der Erzbischof folgende bemerkenswerte Aussage an: »Ich gestehe ein, daß wir Katholiken – indem wir als Doktrin gepredigt haben, Juden seien falsch, heuchlerisch und Gottesmörder – die Menschenwürde unserer jüdischen Brüder und Schwestern herabgesetzt und
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