Die Loge
die Hände vor dem Leib gefaltet, ging in der Mitte, Casagrande links und Pucci rechts neben ihm. Die drei mächtigsten Männer der Bruderschaft: Brindisi, der geistliche Führer, Pucci, der Finanzminister, Casagrande, der Chef der Sicherheits- und Operationsabteilung. Die übrigen Mitglieder nannten sie hinter vorgehaltener Hand »die heilige Dreifaltigkeit«.
Das Institut unterhielt keinen eigenen Geheimdienst. Casagrande hatte sich in Vatikanpolizei und Schweizergarde einen kleinen Kader von Männern herangezogen, die ihm und der Bruderschaft treu ergeben waren. Sein legendärer Status bei der italienischen Polizei und dem Geheimdienst verschaffte ihm auch Zugang zu ihren Ressourcen. Darüber hinaus hatte er ein weltumspannendes Netzwerk aus Männern bei Polizeien und Sicherheitsdiensten aufgebaut – darunter auch ein hoher FBI-Beamter –, die alle bereit waren, seine Befehle auszuführen. Axel Weiss, der Münchner Kriminalkommissar, zählte zu Casagrandes Netzwerk, und auch der Innenminister des vornehmlich katholischen Freistaats Bayern gehörte ihm an. Auf Vorschlag des Ministers war Weiss mit den Ermittlungen im Fall Stern beauftragt worden. Er hatte brisantes Material aus der Wohnung des Historikers entfernt und die Richtung der Ermittlungen gesteuert. Der Mord an Stern galt allgemein – genau wie von Casagrande beabsichtigt – als eine Tat von Neonazis. Aber seit der Israeli namens Landau aufgekreuzt war, fürchtete er, die Situation in München könnte außer Kontrolle geraten. Diese Sorge äußerte er im Gespräch mit Kardinal Brindisi und Roberto Pucci im Park der Villa Galatina.
»Warum lassen Sie ihn nicht einfach liquidieren?« fragte Pucci mit kratzig rauher Stimme.
Klar, umlegen, dachte Casagrande. Puccis Lösung für alles. Casagrande hatte mittlerweile den Überblick darüber verloren, wie viele Morde mit dem dubiosen Finanzier in Verbindung gebracht wurden. Er wählte seine Worte mit Bedacht, um sich nicht offen mit ihm anzulegen. Pucci hatte einmal angeordnet, einen Mann zu beseitigen, der Puccis Tochter lüstern angesehen hatte, und seine Schergen waren weit gefährlicher als es die fanatischen Kinder der Roten Brigaden gewesen waren.
»Als wir Benjamin Stern liquidiert haben, sind wir ein kalkuliertes Risiko eingegangen. Aber dazu waren wir wegen des Materials in seinem Besitz gezwungen.« Casagrande sprach in gemessenem, überlegtem Tonfall. »Aus dem Verhalten dieses Landau läßt sich jetzt schließen, daß der israelische Geheimdienst nicht glaubt, sein ehemaliger Agent sei von einem fanatischen Neonazi ermordet worden.«
»Womit wir wieder bei meinem ursprünglichen Vorschlag wären«, warf Pucci ein. »Warum lassen Sie den Mann nicht einfach umlegen?«
»Ich rede hier nicht von einem italienischen Dienst, Don Pucci. Hier geht es um den israelischen Dienst. Als Sicherheitsdirektor habe ich die Pflicht, das Institut zu schützen. Meiner Ansicht nach wäre es ein schwerwiegender Fehler, einen offenen Krieg mit dem israelischen Geheimdienst zu provozieren. Er könnte eigene Attentäter entsenden – Attentäter, die schon auf den Straßen Roms gemordet haben und spurlos untergetaucht sind.« Casagrande sah am Kardinal vorbei zu Pucci hinüber. »Attentäter, die auch die Mauern dieser alten Abtei überwinden könnten, Don Pucci.«
Kardinal Brindisi spielte die Rolle des Mediators. »Wie sollten wir also verfahren, Carlo?«
»Vorsichtig, Euer Eminenz. Ist er tatsächlich ein Agent des israelischen Geheimdiensts, können wir ihm mit Hilfe unserer Freunde bei den europäischen Sicherheitsdiensten das Leben sehr schwer machen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, daß es für ihn nichts mehr zu finden gibt.« Casagrande machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Außerdem gibt es noch etwas anderes zu erledigen, fürchte ich. Nach Durchsicht des Materials aus Professor Sterns Wohnung bin ich zu dem Schluß gekommen, daß er einen Mitarbeiter hatte – einen Mann, der uns schon früher Schwierigkeiten bereitet hat.«
Verärgerung überzog das Gesicht des Kardinals, als sei in einen stillen Teich bei Sonnenaufgang ein Stein geworfen worden, aber dann glätteten sich seine Züge wieder. »Und die anderen Aspekte Ihrer Ermittlungen, Carlo? Sind Sie bei Ihren Bemühungen, unsere Brüder aufzuspüren, die Professor Stern diese Dokumente zugespielt haben, weitergekommen?«
Casagrande schüttelte frustriert den Kopf. Wie viele Stunden hatte er damit verbracht, das in der Münchner
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