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Die Logik des Verruecktseins

Titel: Die Logik des Verruecktseins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Preiter
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die Kraepelin-orientierte Psychiatrie bis heute glaubt. Das dynamische Seelenlabyrinth und das zu einer bestimmten Organisationshöhe gehörige Binnenvolumen, das ebenfalls dynamisch wechselhaft in seiner Ausdehnung ist, haben sich vielmehr beim Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung »verhakt« und verharren in einer bestimmten Strukturhöhe. Die Bewertungsplastizität der Welt durch die Person ist somit in einer bestimmten Weltthematik festgefahren. Die klassischen Krankheitseinheiten sind nicht das Ergebnis eines ihnen jeweilig spezifisch zugrunde liegenden Krankheitsprozesses, sie sind vielmehr Prägnanztypen. Das Prägnante an ihnen ist, dass sie das Raumbühnenthema einer bestimmten Strukturhöhe des Seelenlabyrinths anhaltend konkretisieren, das macht sie für die klinisch tätigen Psychiater auffällig und wieder-erkenntlich. So rein, wie die Lehrbücher diese Prägnanztypen aber als Krankheitseinheiten zelebrieren, so rein werden sie klinisch nicht gesehen. Viel häufiger sind die Übergangsformen, die man aber bei einem Denken in Setzkastendiagnostik nicht zum Prägnanztyp erheben kann, da ansonsten die phänomenologische Differenzierung in Schwerpunktsymptome nicht gelingen kann. Man muss deshalb so tun, als ob jedes Setzkastenfach ein eigenes Krankheitsbild darstellt und mit den anderen Fächern nichts zu tun hat. Mischformen von Krankheitsbildern sind deshalb ein großes Ärgernis, da sie die Fragwürdigkeit und Schwächen des kraepelinschen Denkansatzes bloßlegen.

    In der Theoriewelt des Seelenlabyrinths ist das mögliche Auftreten von Mischzuständen dagegen kein Theorieproblem mehr. Sie fügen sich vielmehr harmonisch in das Seelenlabyrinth ein. Warum? Klappen wir durch unser Verstehenwollen das Seelenlabyrinth auf, schauen wir in die anscheinend vorhandenen Prägnanztypräume. Übergangsformen gibt es dann keine, da die Prägnanzräume ja voneinander separiert erscheinen. Die andere Hälfte des Seelenlabyrinths aber birgt die Übergangsformen, die Schwellenräume zwischen den Prägnanztypräumen und hier befinden sich die merkwürdigen, räselhaften und ansonsten kaum erklärlichen Mischzustände als »Übergangsräume«.
Wie sich endogene Störungen erklären lassen
    Sehen wir uns einmal an, ob wir mit unserem Modell ein weiteres klassisches Psychopathologierätsel lösen können. Zum Leidwesen der biologisch orientierten Psychiatrie existieren die sogenannten »endogenen« Erkrankungen. Der Begriff findet sich zwar nicht mehr in der ICD 10, da diese weniger Wert auf kausale Zusammenhänge zwischen Krankheitsursache und Krankheitsphänomenologie legt, dennoch ist das Problem der Endogenität vorhanden. Es gibt ganz offensichtlich Krankheiten im psychiatrischen Bereich, bei denen die kausale Krankheitsursache nicht bekannt ist und trotz intensivster Forschung nicht gefunden wird. Ihr Entstehungsprozess bleibt kryptisch, irgendwie verborgen und aus innen heraus entstehend, eben endogen.
    Endogenität bleibt so lange ein Rätsel, solange man die eigentliche Funktionsweise des Gehirns und die weiter oben hinlänglich beschriebene projektive Weltinterpretation des Gehirns im Gesunden nicht versteht. Folgt man aber dem Modell des Seelenlabyrinths mit seiner synergetischen Entstehung aus der zweigliedrigen Geschichte des Menschen, wird klar, dass die Weltinterpretationsstruktur, die man gemeinhin als Gehirn bezeichnet, aus unterschiedlichen Gründen auf einer bestimmten Interpretationsebene stecken
bleiben kann. Noch einmal sei darauf hingewiesen, dass die psychopathologischen Kern- bzw. Leitsymptome bestimmter Krankheitsentitäten dem entsprechen, was das Seelenlabyrinth auf dieser Funktionsebene können kann und können muss. Je kränker jemand ist, desto lebensgeschichtlich ungeschminkter, ursprünglicher, evolutionsdichter ist sein Verständnis über sich und sein Verhalten zur Welt . Weniger krank sein bedeutet, dichter an der Welt und der individualentwicklungsgeschichtlichen Realität sich selbst und das Draußen zu interpretieren, aber eben noch nicht im dynamischen und möglichen vollen Umfange dessen, was sein könnte - denn das wäre »gesund sein«.
    Je stärker ein Seelenlabyrinthraum die Regie über das ganze System übernimmt und dem Seelenlabyrinthrest damit seine Weltsicht aufzwingt, desto mehr Freiheitsgrade verliert die Person in ihrer Selbstwahrnehmung und in ihrer Fähigkeit der stimmigen Navigation im Außen, weil dann eine Permanentinterpretation des Seelenlabyrinths vorliegt,

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