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Die Logik des Verruecktseins

Titel: Die Logik des Verruecktseins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Preiter
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die rigide bestehen bleibt und mit den dynamischen Veränderungen da draußen nicht mehr Schritt hält . Wenn wir dies so sehen, dann muss es, alleine dadurch, dass das Seelenlabyrinth »existiert«, endogene Dekompensationsrisiken des superkomplexen Systems namens Gehirn geben. Warum? Weil, ähnlich wie im Automatikgetriebe eines Autos, das ebenfalls wie das Seelenlabyrinth bedarfsangepasst »automatisch« hoch- und runterschaltet, genau dieser Mechanismus fehlerhaft funktionieren kann und das Getriebe in einem Gang »hängen bleibt«. Fährt das Auto dann rigide in diesem einen Gang weiter, ist das eigentlich keine Krankheit, keine Fehlfunktion, sondern ein »endogenes« Risiko der Gesamtkonstruktion namens Autogetriebe. Die Fehlfunktion des Automatikgetriebes offenbart überhaupt erst die Tatsache des Gangwechsels in der Normalfunktion. Die endogenen Erkrankungen des Gehirns offenbaren den Weltsichtgrundriss, die Bezugsräume von uns Menschen, mit deren Hilfe wir über die Straße des Lebens dahingleiten. Das Phänomen der Endogenität ist gar kein Rätsel, es ist vielmehr eine der Antworten auf die Frage, was das Gehirn des Menschen in seiner Normalfunktion informationsverarbeitend Ungeheuerliches leistet und wie es dabei versucht, die Welt zu verstehen, um in ihr zu überleben.

Die Kindheit der Menschen mitbedenken
    Damit haben wir das Seelenlabyrinth nun weitgehend enträtselt. Wir kennen seine Entstehung, seinen Aufbau und seine Funktion. Es hilft uns zu erkennen, wie das Verhältnis von Gesundheit und psychischen Erkrankungen beschaffen ist. Es zeigt uns darüber hinaus, dass unsere einzigartige Stellung im Tierreich nicht nur daher rührt, dass wir über das größte Lernwissen aller Tiere verfügen, sondern auch das größte evolutionär erworbene Weltwissen aller Tiere in uns tragen. Wir sind durch die Kulturfähigkeit nicht instinktamputiert, wie gemeinhin angenommen wird, wir sind als evolutionär entstandene Art nur einen bestimmten Weg weitergegangen als andere Tiere, und dieser Weg ist ein evolutionärer. Wir würden uns selbst fortgesetzt nur rudimentär verstehen, wenn wir das evolutionär erwachsene Weltwissen ignorieren und z.B. außer Acht lassen, wenn wir danach fragen, wer wir sind. Die Psychiatrie kann die Patienten und ihre Krankheitsbilder nur »ganzheitlich« verstehen, wenn wir zwei Wissenssäulen beachten, die in jedem Menschen zu seiner Individualität verschmelzen und ihn durch das Leben tragen. So wie die Frage nach der menschlichen Kindheit für Psychiater zur Erklärung psychiatrischer Erkrankungen selbstverständlich ist, so sollte auch die Frage nach der Kindheit der Menschheit selbstverständlich herangezogen werden, um psychopathologische Phänomene und ihr Auftreten zu verdeutlichen.
     
    Sehen wir uns nun an, ob das Modell des Seelenlabyrinths auch etwas taugt, die psychiatrischen Erkrankungen gewinnbringend und verständnisvertiefend in ihrem strukturellen Verhältnis zueinander zu sortieren.

19. Krisenzeiten
    Affektive Störccungen und ihre evolutionär gebahnten Lösungsansätze
    Alle psychischen Störungen oder »Krankheiten« sind in erster Linie Entfaltungskrisen des Binnenvolumens. Dies gilt auch für die psychiatrischen Störungsbilder, die man unter der Überschrift »Depression« zusammenfassen kann und mit denen wir uns nun beschäftigen wollen.

Der Mensch als Raumteiler
    Beim Vorliegen einer Depression wird der von ihr betroffenen Person eine ganz bestimmte Welt- und Selbstsicht aufgezwungen, zu der das Binnenvolumen in dieser Ausdehnung in der Lage ist und von der sich die Person aus eigener Kraft nicht mehr befreien kann. Sie braucht dazu andere. Der betroffene Mensch bleibt unter seinen Möglichkeiten und ist durch seine Ängste in eine Interpretationssicht hineingesperrt, die einen Erlebnishorizont aufzwingt, welcher in der akuten Lebenssituation in diesem Ausmaß gar nicht hilfreich ist. Der Verlust an Freude, an Teilnahmebereitschaft gegenüber dem Leben und den Wechselwirkungen sowie Gegenseitigkeitsinspirationen mit anderen sind die Folge.
    Bisher haben wir große Sorgfalt darauf verwendet, zu erkennen, welche Gefahren auf welchen Außenbühnen und der Innenraumbühne lauern und welche Bergungschancen das Seelenlabyrinth im Außen erhofft und ansteuern will. Die Bergungschancen sind dabei letztlich die Fortsetzung des ersten Bergungswesens im Uterus mit anderen Mitteln: geschützt werden, genährt werden, im Austausch sein und dies mit immer fragileren

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