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Die Logik des Verruecktseins

Titel: Die Logik des Verruecktseins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Preiter
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Es ist ja nur eine Metapher, ein bildhafter Beschreibungsversuch dessen, zu was das Gehirn des Menschen in der Lage ist. Dennoch wollen wir versuchen, ein konkretes Aussehen des Seelenlabyrinths zu formulieren, um anhand dieses Modells verschiedene Fragen der Psychopathologietheorie zu erhellen, mit denen sich die Psychiatrie aufgrund ihrer vermeintlichen Unbeantwortbarkeit herumschlägt. Wie sind z.B. »endogene« Erkrankungen und ihr Auftreten zu verstehen? Als endogen, als »von innen heraus entstehend«, werden in der Psychiatrie Erkrankungen dann bezeichnet, wenn eine äußere Ursache, ein äußerer Auslöser als Erkrankungsursache fehlt. Das Fremdwort verstellt dabei das Eingeständnis, dass man gleichzeitig keine Ahnung hat, wie dieses Von-innen-heraus-Entstehen eigentlich vonstatten gehen soll. Warum gibt es darüber hinaus Mischzustände verschiedener Krankheitsgruppen? Wie sind die psychiatrischen Erkrankungen systematisch-strukturell zu gliedern und zu sortieren?
    Die letzte Frage ist das Thema der folgenden Kapitel. In ihnen werden wir versuchen, das in der Einleitung beschriebene und aktuell in der Psychiatrie herrschende Zettelkastendenken der Diagnosen in ein »natürliches« Unterteilungssystem zu übertragen, bei denen die Außenraumbühnen und ihre Themenfelder der äußerliche Bezugsrahmen
sein werden. Zur Beantwortung der ersten beiden Fragen bedienen wir uns eines organischen Modells, mit dessen Hilfe wir Räume und deren Übergänge sowie die jeweiligen Binnenvolumen sichtbar machen können.
Wie sich psychopathologische Mischzustände erklären
    Denken wir uns das Seelenlabyrinth als eine konisch geformte Struktur. Wenn wir diesen Kegel aufklappen, um in sein Inneres zu sehen, erkennen wir Räume unterschiedlicher Größe. Von unten nach oben nimmt die Raumgröße zu. In jedem Raum liegt in seinem Zentrum eine Binnenstruktur, die ebenfalls von Raum zu Raum größer wird. Die Räume sind in dieser aufgeklappten Form nicht miteinander verbunden. Sie liegen vielmehr durch Wände getrennt in unbezogener Nachbarschaft übereinander, wie ein mehrstöckiges Hochhaus, das allerdings mit seiner Spitze auf dem Kopf steht. Wir sehen sechs Räume. Sie entsprechen unseren Außenraumbühnen, wobei der kleinste Raum, die Spitze mit dem kleinsten Binnenvolumen, eigentlich noch keine Außenraumbühne hat. Der Raum entspricht aber unserer ersten Welterfahrung, die aus einem Raum besteht, der in einem anderen Menschen gelegen ist und uns zunächst ganz umhüllt. So wie es die Welt da draußen noch gar nicht gibt, so gibt es uns auch noch nicht in ganzem Maße. Die anderen Räume sind die bereits besprochenen Außenraumbühnen, um deren Entstehung wir wissen und deren jeweilige Themenfelder uns bekannt sind. Der letzte Raum öffnet sich in die Unendlichkeit. Dass sich für eine Sinnevidenz dort nichts findet, erleben die einen als Erleichterung, die anderen als Bedrohung.
    In Ansätzen konnten wir auch Beispiele kennenlernen, wie sich Psychopathologie und manche traditionell definierten Krankheitseinheiten auf den jeweiligen Bühnen entfalten. Dies werden wir noch vertiefen. Unklar bleibt aber noch, wie es zu Mischzuständen der Außenraumbühnenthemen kommen kann. Die Psychiatrie hat mit der Tatsache, dass sich Krankheitsbilder miteinander mischen können,
große Verständnisschwierigkeiten. Ein typischer Mischzustand, der häufig klinisch gesehen und diagnostiziert wird, sind z.B. die schizo-affektiven Psychosen. Es kann beim Versuch des diagnostischen Verstehens eines Patienten unklar sein, ob er an einer Schizophrenie leidet oder an einer manischen Erkrankung. Bei solchen Patienten sind dann typische, der Manie zugeordnete Krankheitszeichen erkennbar, wie psychomotorische Enthemmung, Antriebssteigerung, Impulsivität, Gereiztheit und Größenwahn. Die Patienten sind extrem spracheifrig und distanzgemindert, kommen nicht zur Ruhe und finden nachts keinerlei Schlaf. Gleichzeitig können sie unter Umständen auch Stimmen hören und sich verfolgt fühlen, zusätzlich also eine paranoid-halluzinatorische Symptomatik zeigen, die eher an eine psychotische Symptomatik im engeren Sinne denken lässt und an eine Schizophrenie erinnert. Typische schizophrene Kernsymptome wie Störungen der Meinhaftigkeit oder Ich-Störungen fehlen aber. Wie kann das sein? Die klassische Psychiatrie unterstellt doch seit Kraepelin unterschiedliche unterlegte Krankheitsprozesse für unterschiedliche Krankheitsbilder, wobei ein bestimmter

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