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Die Logik des Verruecktseins

Titel: Die Logik des Verruecktseins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Preiter
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psychiatrischen Erkrankungen (mit Ausnahme der psychiatrischen Krankheitsbilder, bei denen das Gehirn selbst z.B. in der Folge von Infektionserkrankungen geschädigt wird). Gerade bei der Schizophrenie sollen die Vulnerabilitätsgene die entscheidende Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielen.
    Die krankmachenden Gene führten somit den Menschen fort von dem, was sein Gehirn humanspezifisch eigentlich leistet und wie es arbeitet. Vergleichbar mit einem Computervirus, der sich unerwünscht einschleicht, den Ablauf der Computerprogramme stört und die Computerfunktion behindert oder gar zerstört, »zerstören« die Vulnerabilitätsgene die Gehirnfunktion. Die Eliminierung des Computervirus stellt dann die Funktion unter Umständen wieder her. Die Genforschung verspricht, diese Gene ausfindig machen und dann durch pränatale Genanalysen entsprechende Gene frühzeitig identifizieren zu können und den Eltern entsprechende Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten zu geben. Aber kann das sein? Wenn es der Evolution gar nicht um Anhäufung von DNA geht, diese nicht die Basis von Komplexität ist, evolutionäre Prozesse vielmehr die DNA-Menge verschmälern können, woher kommen dann die Vulnerabilitätsgene menschlicher Psychopathologie? Wie sollen Gene dann dafür verantwortlich sein, dass Funktionsstörungen des Gehirns auftreten, welche die Gehirnfunktion von ihrer eigentlichen Arbeitsweise distanzieren?
    Absonderlich erscheint das Bemühen, die Phänomenologie psychischer Erkrankungen, also die Art und Weise, wie sich psychopathologische
Phänomene zeigen, im Basisverständnis auf der Ebene der DNA-Struktur dingfest machen zu wollen. Davon abgesehen ist jegliches Forschungsbemühen der letzten zwanzig Jahre, die für das Auftreten der Schizophrenie verantwortlichen Gene zu identifizieren, gescheitert. 8 Nicht eine der enorm teueren und hochrangig publizierten Erfolgsmeldungen, die jeweilig verkündeten, die entsprechenden Kandidatengene, die für das Auftreten der Schizophrenie verantwortlich sein sollen, identifiziert zu haben, konnte bei entsprechenden Nachuntersuchungen bestätigt werden. Dennoch läuft die Forschung genau in diese Richtung weiter. Das Human-Genom-Projekt, in dessen Verlauf das menschliche Erbgut durch eine internationale Forschergruppe entschlüsselt wurde, hat gezeigt, dass der Mensch aus der Informationsvorlage von weniger als 25.000 Genen »zusammengebaut« wird und nicht aus 100.000, wie man zuvor angenommen hatte. Allerdings ist weiterhin unklar, was die einzelnen Gene eigentlich machen und wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Für die Gehirnentwicklung sind, und das ist interessant, nur etwa 9000 Gene verantwortlich. Diese geringe Zahl von 9000 Genen legt den Grundstein für die komplizierteste Struktur, die es auf der Erde gibt: unser Gehirn.

Das fehlerfreundliche Gehirn
    Diese komplizierteste uns bekannte Struktur, das menschliche Gehirn, ist vor allem eines: Sie ist fehlerfreundlich. Die Fehlerfreundlichkeit, die sich in der menschlichen Psychopathologie zeigt, entfremdet das Gehirn jedoch nicht von seiner Funktion, wie die biologisch orientierte Psychiatrie vermittelt. Sie offenbart vielmehr seine Funktionsweise, indem einzelne »Subprogramme« die Oberhand gewinnen und alle anderen Funktionen in ihren Bann zwingen. Damit der Fötus erfolgreich aus der Gebärmutter herausfindet, benötigt er Gene, die sein Gehirn so differenzieren, dass ihm als handlungsbereites Individuum ein Aktionspotential zur Verfügung steht, das »anspringt« und »abläuft«, damit er herauskommt. Was
ihn dazu motiviert, ist wahrscheinlich vor allem Angst. Angst nicht herauszukommen, steckenbleiben zu können, gefangen zu sein. Und diese Angstbereitschaft bleibt in uns , auch wenn wir längst heraus sind, da das Gehirn diese Angstbereitschaft zwar überlernt, aber nicht wirklich »vergisst«. Menschen, die unter einer Klaustrophobie leiden, also sich vor engen Räumen fürchten und eine mit Todesangst einhergehende Panikattacke erleiden, nur weil in dem Zimmer, in dem sie sich befinden, die Tür geschlossen wird, tragen keine absonderlichen »Phobiegene« in sich, nach denen aber fieberhaft geforscht wird. Natürlich ohne nennenswertes Ergebnis.
    Selbstverständlich spielen die Gene eine Rolle und selbstverständlich gibt es Vulnerabilitätsgene. Aber nicht im Sinne von eingeschlichenen Computerviren, die man nur aus dem menschlichen Genpool eliminieren muss, damit Erkrankungen wie die Schizophrenie oder

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