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Die Logik des Verruecktseins

Titel: Die Logik des Verruecktseins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Preiter
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zweite Gefahrenhorizont, der nach außen gerichtete, versteht sich von selbst. Aktive, bewegliche Organismen erobern das Außen, das dafür aber auch verfolgender, bedrängender und beängstigender wird. Dabei kommt der Angewiesenheit und Abhängigkeit des Menschen und seiner Entwicklungsvorfahren von sozialer Steuerung, Unterstützung und Anerkennung besondere Bedeutung zu. Wie wir später sehen werden, eröffnete vor allem diese Sozialität bei den Primaten fast unendlich diffizile Themenfelder und Interpretationshorizonte im Außensorgenhorizont. Auf diese gerichtet, wurden im Zuge der Evolution (oder durch unseren bekannten Evolutionszug) ganz bestimmte und spezialisierte »Bewegungsmelder« installiert, die uns frühzeitig über Sozialgefahren informieren können. Ohne
diese Bewegungsmelder wäre das soziale Navigieren aus Gründen, die wir noch kennenlernen werden, ein Himmelfahrtskommando.
Der dritte Gefahrenhorizont: Die Körperoberfläche mit ihren Ein- und Austrittspforten
    Der dritte Gefahrenhorizont, gebildet durch die Schnittstelle der beiden anderen, ist die Oberfläche des Organismus und seine Einund Ausgangspforten. Wie bei unserem Hausalarmbeispiel ergeben sich aus der Funktionalität des Organismus Schwachstellen und Gefahrenkonzentrationen. Im Hause wurden Fenster und Türen mit Magnetkontakten versehen, um die »neuralgischen« Schwachstellen zu sichern. Kameras ermöglichen die Aufmerksamkeitsfokussierung bei Unklarheiten genau auf diese sensiblen Bereiche. In Analogie: Wo Nahrung ihren Eingang in den Organismus findet, kann auch unerwünschte substanzielle Gefahr hinein. Wo geschluckt wird, kann auch verschluckt werden. Wo eingeatmet wird, können Versperrungen die Atemluft knapp werden lassen. Wo Nahrungsreste abgesetzt werden müssen, da muss in ausreichendem Maße Sicherheit verspürt werden, da die Situation der Defäkation mit ihrer notwendigen Konzentration auf das Ereignis und die dadurch statthabende Ablenkung vom Außen bereits eine nicht unerhebliche Sicherheitslücke entstehen lässt. 37 Den Hausmüll bringt man in Hochrisikogegenden nur hinaus, wenn ein Blick auf den Monitor der Alarmanlage mit Hilfe der Kamera am Eingangsbereich zeigt, dass niemand vor der Tür herumlungert und somit »Entwarnung« gegeben werden kann.
    Unsere biologischen »Kameras« werden von der Fähigkeit gebildet, die Aufmerksamkeit im Bedarfsfall blitzschnell auf die neuralgischen Punkte der Körperoberfläche und seiner Ein- und Austrittspforten zu richten. Jeder, der sich schon einmal an einer Gräte verschluckt hat und von der dann resultierenden Erstickungsangst gepackt wurde, hat am eigenen Leib erfahren, wovon hier die Rede ist.
    Es bestehen weitere Parallelen zwischen dem technisch konstruierten Hausalarm und unserem evolutionär erwachsenen Alarmierungssystem.
Beide sind permanent in Betrieb und somit ständig »scharf«. Beide besitzen Umweltrelationen mit spezifischen Umweltinteressen, die auf die Erwartung einer ganz spezifischen Auslösesituation hin konstruiert sind und, man könnte sagen, auf deren Eintreten lauern. Die Alarmanlage »wartet« nur darauf, dass sie ausgelöst wird. Ihre Erwartung ist dabei auf einen Einbrecher gerichtet, der sich mit negativen Absichten dem Haus nähert und versucht, diesem Schaden zuzufügen oder sogar in dieses einzudringen. Kommt es tatsächlich dazu, löst der Einbrecher in irgendeiner Ebene der drei Gefahrenhorizonte einen Mechanismus aus, der einen elektrischen Impuls zur Zentrale der Alarmanlage weitergibt, wo diese eingehende Information bearbeitet wird und schließlich den Alarm auslöst. Es heult unüberhörbar die Sirene und es blinkt ein grelles rotes Warnsignal. Der Einbrecher ist das spezifische Sorgeobjekt, auf das die Alarmanlage hin konstruiert ist, und wenn sie Alarm gibt, wird die Anwesenheit des Einbrechers als Tatsache angezeigt und ist somit für die Alarmanlage zweifelsfrei real existent.
    Nicht viel anders arbeitet unsere biologische Alarmierung. An den Körperöffnungen sind hochgradig sensible Messinstrumente angebracht, die darauf achten, ob auch wirklich ungehindert das hinein- und herauskommt, was auch hinein- und herauskommen soll: Luft zum Atmen wie auch zur Erfassung von Duftstoffen, Nahrung, Schallwellen, Photonen, zur Ausscheidung bestimmte Nahrungsreste, zusätzlich bei Frauen das Fortpflanzungsorgan des Mannes und seine Fortpflanzungzellen und bei Männern Fortpflanzungszellen selbst. Gerade der Urogenitaltrakt und seine

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