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Die Logik des Verruecktseins

Titel: Die Logik des Verruecktseins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Preiter
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hinüber, Ihnen kann ja nichts … »Wouuu WouuuWouuu!« Sie schrecken abermals hoch, wieder Alarm. Erneut hechten Sie zu Ihrer Zentrale, diesmal ist es ein Bewegungsmelder im Garten, der den Alarm ausgelöst hat. Auf dem Monitor sehen Sie
eine Katze durch die Nacht huschen. Schon ist die Polizei eingetroffen, übermüdet öffnen Sie die Tür und geben Entwarnung. Die auch schon etwas genervte Polizei zieht abermals ab, und allein im Haus gehen Sie zu Ihrer Alarmanlage. Da steht das sündhaft teure Ding. Sie schalten entschlossen den Außenüberwachungsteil und die Außenhautsicherung sowie die Bewegungsmelder im Erdgeschoss aus und legen sich im ersten Stock in Ihrem Schlafzimmer schlafen. Als Sie morgens nach herrlich ruhiger Restnacht die Treppe hinuntergehen und in das Wohnzimmer treten, trifft Sie beinahe der Schlag. Alle Ihre wertvollen Antiquitäten und Ihre Bildersammlung sind fort. Einbrecher hatten, während Sie seelenruhig schliefen, die Haustüre aufgebrochen und Ihr Mobiliar und Ihre Kunstsammlung ungestört von jeder Alarmanlage abtransportiert. Resigniert greifen Sie zum Telefon und rufen die Polizei und haben in dieser Nacht eine wichtige Lektion gelernt. Lieber zehnmal Fehlalarm riskieren, als auf die ganze Alarmanlage zu verzichten.

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    Sorgentemperamente, ihre körperlichen Erscheinungsformen und die Fehlinterpretationen der Medizin
    Warum gibt es Fehlalarme? Die Antwort ist aus dem vorangegangenen Kapitel leicht zu entnehmen. Fehlalarme sind eine notwendige und unumgängliche Zugabe eines jeden Alarmierungssystems. Hätten Sie als Lottogewinner Ihre Alarmanlage nach zweimaligem Fehlalarm nicht entnervt abgeschaltet, wären Sie vielleicht noch ein drittes Mal unnötigerweise geweckt worden, ganz sicher hätte der Einbruch aber nicht stattgefunden oder wäre zumindest nicht so erfolgreich gewesen, da die Einbrecher die Alarmanlage ausgelöst hätten und durch sie vertrieben worden wären. Die allgemeingültige technische Alarmierungsphilosophie lautet: Lieber Fehlalarme riskieren, als zu spät oder gar nicht über das jeweilige Gefahrenmoment informiert werden und unvorbereitet schutzlos gegen die Gefahren zu sein.
    Natürlich darf auch keine Daueralarmierung bestehen, da man vor lauter Auslösersuche dann zu gar nichts anderem mehr kommt und die Steuererklärung für immer unfertig bliebe. 38 Die Alarmanlage sollte aber auch nicht so unempfindlich sein, dass man Ihnen Ihr Haus ausräumen kann, während Sie seelenruhig in einem anderen Teil des Hauses an der Steuererklärung arbeiten und erst Alarm ausgelöst wird, wenn alles zu spät ist. Bleibt das Problem der Empfindlichkeitseinstellung der Alarmanlage.

Der Empfindlichkeitsregler der Ängstlichkeit
    Wo auch immer man evolutionär-theoretisch den Schwerpunkt der Evolution sehen will, in den Genen oder im Individuum als evolutionsrelevante Einheit, die Evolution konstruiert über die von Darwin beschriebenen Mechanismen hochkomplexe Alarmanlagen, bei denen das Problem des Empfindlichkeitsreglers in der Grundeinstellung gelöst werden muss. Wie der Alarmexperte liefert die Evolution die Alarmanlage, den Einstellungsgrad des Empfindlichkeitsreglers stellen wir während unserer individuellen Lebensentwicklung mit Hilfe unserer Lebenserfahrungen ein. Prinzipiell ist es dabei immer besser, eher in der Alarmierungsbereitschaft übersensibel zu sein. Zwar ist ein Fehlalarm anstrengend und kräftezehrend, doch lieber hypervigilant auf Gefahren sein und wiederholt Fehlalarme und ihre Auswirkungen auf sich nehmen, als auch nur einmal aufgrund einer zu niedrigen Alarmierungsempfindlichkeit unachtsam sein und einen »Einbruch« erleben. Während der gesamten Evolution galt deshalb: Ein unängstliches Tier ist ein totes Tier.
Angsttemperamente: Überängstlich, angemessen ängstlich, unängstlich
    Wie sieht das bei uns Menschen aus? Offensichtlich gibt es drei »Angsttemperamente«: die Überängstlichen, die angemessen Ängstlichen und die Unängstlichen. Die ersten beiden kennt der Psychiater, die dritten kommen weniger mit der Psychiatrie, sondern mit anderen medizinischen Fachdisziplinen in Berührung, weshalb diese Störung auch nicht in den psychiatrischen Diagnosemanualen vorkommt, obwohl auf die Existenz einer Störung, die man »Hypophobie« nennen könnte, zwingend zu schließen ist. So wie es eine Überbesorgtheit gibt, so gibt es eine Unterbesorgtheit. Menschen, bei denen diese Störung vorliegt, springen z.B. an Fallschirmen aus

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