Die Logik des Verruecktseins
überflutenden Todesbedrohung, von erfahrbaren Emotionen bis zu den verborgenen, dem Betroffenen nicht bewusst erlebbaren Untergrundängsten. Angst ist jedem Menschen, wie allen komplexeren biologischen Wesen, evolutionär beigegeben. Das biologische Dasein hat ununterbrochen eine tendenzielle Nähe zur Angst, ist von dieser durchspült und an sie ausgeliefert. Bevor wir uns den Zusammenhängen von Weltinterpretation, Selbstinterpretation, Angst und Psychopathologie nähern werden, wollen wir uns zunächst mit der Angst genauer beschäftigen.
Zunehmendes Weltverständnis, zunehmende Angst
Wir tun dies, während wir gleichzeitig unser Seelenlabyrinth, das ja bereits erste Konturen angenommen hat, im Hinterkopf behalten und mitdenken. Wir wissen schon, dass das Seelenlabyrinth eine geordnete Struktur aufzuweisen scheint, die uns aber noch unklar ist. Anscheinend weist das Seelenlabyrinth ineinander gestaffelte Themenräume auf, die jeweilig durch ein bestimmtes Binnenvolumen und der dazu passenden Außensituation, verschränkt über die dazugehörige Angstintensität, umrissen werden. Den Inhalt des ersten Raumes, das Zentrum, haben wir thematisch und psychopathologisch bereits beschreiten haben wir thematisch und psychopathologisch bereits beschreiten können. Den zweiten Raum, in dem sich erstmalig ein anderer Mensch personell zu erkennen gibt, haben wir atmosphärisch kennengelernt
und eine Ahnung erhalten, wie atmosphärische Störungen der ersten Begegnung und ihrer Erweiterung im dritten Raum um eine dritte Person ihre langen Schatten auf den Lebensverlauf werfen können. Bevor wir dies vertiefen und in späteren Kapiteln die psychopathologischen Phänomene des klinischen Alltags verschiedenen Themenräumen zuzuordnen versuchen werden, müssen wir uns mit dem Mechanismus »Angst« in diesem und dem folgenden Kapitel vertrauter machen. Angst bildet den emotionalen Bewertungsklebstoff, der das erlebte Innen mit dem erlebten und projizierten Außen vereinigt. Wie kommt dieser Klebstoff ins Spiel?
Die Dreifach-Alarmanlage
Angenommen, Sie hätten im Lotto gewonnen und hätten sich von einem Teil des Gewinnes ein teures Haus in einer sehr guten Wohngegend gekauft. Sie richten sich mit geschmackvollen und teuren Antiquitäten ein und beziehen schließlich Ihr neues Heim. Nach einigen Tagen beschließen Sie, Ihr teures Zuhause zu sichern und sich eine Alarmanlage anzuschaffen. Im Branchenverzeichnis finden Sie eine Anzeige: »Der Alarmexperte. Reparatur. Wartung. Inspektion. Neuinstallation. Tel.: 1221809.« Sie bestellen den Fachmann, der Ihnen irgendwie bekannt vorkommt, zu einer Hausbegehung. Dabei macht dieser sich Notizen, schüttelt wiederholt vielsagend den Kopf und murmelt mehrmals: »Das wird teuer!« Nachdem er alles inspiziert hat, rät er Ihnen zu einer umfassenden »Dreifach-Einbruchsicherung«.
Zunächst müssen die neuralgischen Punkte des Hauses gesichert werden. Kein Einbrecher rückt mit einem Bulldozer heran und rammt eine Hauswand ein, um an die wertvollen Gegenstände der Einrichtung heranzukommen. Stattdessen macht er sich die Schwachstellen zunutze, die sich aus der Hausstruktur und verschiedener Funktionen heraus ergeben. Ein Haus muss einen Eingangsbereich haben, durch den hindurch man es überhaupt betreten kann, und Fenster, durch die Tageslicht sowie Frischluft hineingelangen kann.
Wo aber ein willkommener Besucher eintreten kann, da kann auch ein unwillkommener Besucher seinen Weg hineinfinden. Worüber gelüftet werden kann, darüber kann auch ein ganz anderes Ding seinen Weg hinein- und wieder herausfinden. Also werden kurzerhand die Fenster mit Glasbruchmeldern und die Fensterrahmen mit Magnetkontakten ausgestattet. Beide Alarmsicherungen werden an eine zentrale Alarmanlage des Hauses angeschlossen, die über eine akustische Alarmgebung einen schrillen Sirenenton auslöst, falls eine Fensterscheibe eingeschlagen wird oder jemand versucht, die Fenster oder eine der Türen aufzustemmen. Damit ist Ihr Haus mit einer »Außenhautüberwachung«, wie es in der Alarmanlagensprache heißt, ausgestattet. Zur Steigerung der Sicherheit werden an sehr leicht erreichbaren Fenstern und dem Eingangsbereich Überwachungskameras installiert, die an einen Monitor angeschlossen werden, der bei der Alarmzentrale aufgestellt wird. Dadurch sind Sie in der Lage, Ihre Aufmerksamkeit gegebenenfalls auf einen ganzen bestimmten Bereich zu fokussieren, falls noch kein Alarm ausgelöst sein sollte, Sie aber z.B.
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