Die Logik des Verruecktseins
Hirnschädigungen, z.B. im Rahmen eine Schädelhirntraumas, sind wir unter Umständen noch in der Lage zu atmen, obwohl wir bewusstlos sind und nicht mehr sehen können, was um uns herum geschieht. Das Atemzentrum ist aufgrund seines hohen phylogenetischen Alters robuster, da auch einfacher strukturiert, als die komplex konstruierte Sehfähigkeit. Sprache hören und verstehen können ist eine sehr neue und gleichzeitig sehr komplexe Erfindung der Evolution, folglich müsste dieser Vorgang sehr fehleranfällig sein, und ist es auch, wie wir noch sehen werden.
Der fünfte Raum: Die Suchbewegungen nach der Transzendenz
Die fünfte Raumbühne ist alles andere dahinter, alles, was hinter der vierten Raumbühne liegt und zur Welt gehört. Je humanspezifischer wir wurden, desto weiter dehnte sich dieser Raum aus. Irgendwann wurden auf dieser Raumbühne die personifizierten Transzendenzen untergebracht und beheimatet. Die Götter, die Dämonen und die Verstorbenen lungern auf dieser Bühne herum und sind den daheim in den Raumbühnen Eins bis Vier Gebliebenen entweder eine Unterstützung oder eine Plage. Naturwissenschaft betreiben bedeutet zu zeigen, dass dieser Raum letztlich leer ist von Transzendenz und sich in ihm nicht mehr befindet, als es den Anschein hat, selbst wenn noch so großer Pomp und Theologieglamour betrieben wird.
Die terrestrische Leere der fünften Raumbühne wurde erstmalig durch die Weltumsegelung Magellans vom 20.09.1519 bis zum 06.09.1522 konkretisiert, deren Ende er selbst nicht erlebte. 256 Mann Besatzung stießen in die fünfte Raumbühne immer weiter vor, um schließlich nach fast drei Jahren wieder am Ausgangspunkt im Hafen von Sevilla anzukommen. Lediglich 18 Mann gingen als Überlebende von Bord.
Der technische Fortschritt führte später innerhalb eines Jahrhunderts dazu, die Luft zu erobern, die Erdatmosphäre zu verlassen, zum
Mond aufzubrechen und technische Artefakte auf andere Planeten des Sonnensystems oder über dessen Grenzen hinaus in das All zu schicken. Mit dem geostationären Raumteleskop Hubble blicken wir mittlerweile bis an den Anfang des Universums zurück. Immer weiter schieben wir mit unseren technischen Möglichkeiten den Begrenzungssaum der fünften Raumbühne in Richtung Unendlichkeit, und überall findet sich nichts als sein tatsächlicher Inhalt. Für die einen ist das ein Verlust, da sich keine verborgenen göttlichen Bergungshilfen zeigen, für die anderen ist das eine Befreiung aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit. Die Transzendenzleere der fünften Raumbühne zu »ertragen«, fällt vielen, auch aufgeklärten Menschen schwer. Warum ist das so?
Wir alle erleben unsere personale Identität als zweifellos vorhanden. Ich bin in der Welt, also bin ich. In Wirklichkeit entsteht unsere personale Identität aber ganz allmählich im Verlauf unserer biologischen Entwicklung und folgt den zunehmenden Komplexleistungen des Gehirns. Die personale Identität dimmt sich dabei allmählich aus der Dunkelheit des nicht Vorhandenseins über ein anfänglich sehr schwaches Licht zu seiner Helligkeit, die mir den Eindruck verleiht, ich bin in der Welt. Diese Helligkeit ist ungefähr mit dem dritten Lebensjahr erreicht. Allerdings sind wir keine Gedächtniszeugen dieser allmählichen Aufhellung. Keiner von uns erinnert sich an Episoden oder Selbsteinschätzungen, die vor unserem dritten Lebensjahr liegen. Unser episodisches Gedächtnis ist in seinen biologischcerebralen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht so herangereift, als dass so alte Gedächtnisengramme in ihm verankert werden könnten. Wohl aber »erinnere« ich mich an die Atmosphäre früher Bergungen durch die Ergänzer. Dies verführt uns Menschen zu der Annahme, dass mein Kern eigentlich schon immer da gewesen sein muss und immer eingebettet war in einen »Beschützer«. Was schon immer da ist, das muss auch für immer existent sein und kann nicht in das Nichts zurückdimmen, wenn das biologische Ende meiner Existenz, also der Tod, anklopft. Es muss also da draußen, in der fünften Raumbühne beheimatet, etwas geben, das mich birgt und lenkt.
Dass hinter meiner personalen Identität eigentlich ein riesiger, evolutionär gewachsener Superrechner steht und sonst nichts, davon ahnt das Bewusstsein intuitiv nichts. Es ahnt aber seine Abhängigkeit, seine Brüchigkeit und die Notwendigkeit des Sichanvertrauens an etwas, das außerhalb von ihm selbst, aber dicht beheimatet ist. Das Bewusstsein selbst kann der
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