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Die Lokomotive (German Edition)

Die Lokomotive (German Edition)

Titel: Die Lokomotive (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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gestreiften Handtuch aus Frottee und seiner dichten Körperbehaarung.
      Seine Stimme hollerte durch das ganze Fachwerkhaus, „Wo bleiben Sie denn wieder, junger Mann?“.
      Meistens hatte er recht, ich war fünf Minuten zu spät wegen Frau Weibel vorher, die oftmals nicht ihre Medikamente nehmen wollte. Aber jeder Zivi bekam den Spruch von ihm, jeden Tag, egal, ob zu spät oder zu früh, und irgendwie meinte er ihn auch nicht ernst. Jeder von uns war ‚der junge Mann’, denn niemandem war es möglich, sich all die wechselnden Namen zu merken, zumal etliche der Zivis noch Spitznamen hatten wie Pille, Slowhand oder Nutzlos.
      Er stellte seine Kaffeetasse auf ein eigens für diesen Zweck aufgestelltes Schränkchen neben der schmalen Eingangstür, durch die sein Rollstuhl nicht passte. Umziehen in ein anderes Haus wollten die beiden nicht mehr, sie wohnten ihr ganzes Leben hier. Daher hatten sie sich die Seilwinde mit der Schiene in die Decke dübeln lassen.
      Ich schnürte die Lederriemen um seine mächtigen Oberschenkel. Die fingerdicken Kettenglieder rasselten, dann zog ich sie stramm. Ebenso verfuhr ich mit dem Lederriemen, der unter seinen Armen um die Brust gezogen wurde. Das Handtuch lag in seinem Schoß. Hinter uns stand Frau Siepmann, die das Ganze stumm beobachtete, während sie den Kaffee ihres Mannes austrank.
      Der muffige Geruch nach Staub, Schweiß und Morgenpipi im fensterlosen Badezimmer. Fishermen’s Friend half dabei, war auch der Freund der Zivildienstleistenden. Bereits an meinem ersten Tag tickte mir Nutzlos, mit dem ich eine Pflegetour zum Anlernen mitfahren musste, ein Fishermen’s Friend in die Hand.
      „Die wirste brauchen“, sagte er.
      Dann die tägliche Suche nach der Fernsteuerung für den Hauskran. Sie lag immer woanders. Die gute Frau Siepmann wischte täglich das Bad sauber, und die Fernsteuerung schien immer noch ein Fremdkörper zu sein, der nicht seinen Platz gefunden hatte, anders, als all die Fläschchen, Tuben, Kämme und Bilder auf den Regalen und Schränkchen, die millimetergenau nach jedem Verrücken ihren Platz wiederfanden.
      „Auf geht’s“, sagte ich immer und meinte das wörtlich. Die Fernsteuerung hatte vier Knöpfe: vorwärts, rückwärts, runter und hoch. Und erst mal ging es hoch. Dabei musste ich mich auf den Rollstuhl stützen, weil der sonst von Herr Siepmanns mächtigen Hüften mit in die Höhe gehievt wurde. In derart peinliche Situationen ließ man die Zivi-Neulinge tappen, die mit einem jeweils eine Woche zum Lernen auf einer Pflegetour mitfuhren. Nutzlos hatte den Spaß mit mir getrieben, ich vererbte ihn. Die Jungzivis schauten dann aus der Wäsche, als handele es sich bei Herrn Siepmann um einen fleischgewordenen Cartoon, wie er so mit seinen auf dem Handtuch zusammengefalteten Händen nach oben gezogen wurde, während der Rollstuhl an seinem Hintern zu kleben schien.
      Daneben seine kleine Frau mit der Tasse Kaffee, eine 60er Jahre Tapete, ein Kalender aus den 80ern und ein schiefes Bild mit Pferden an der Wand.
      Wenn sein Kopf weniger als 20 Zentimeter von der Decke entfernt war, piepste der Kran automatisch, und es war an der Zeit den Vorwärtsgang einzulegen. Durch den schmalen Türrahmen bis über das Klo am anderen Ende dauerte die Fahrt vier Minuten.
      Zeit für meinen Kaffee, den Frau Siepmann mir reichte, nur mit Milch, genau, wie ich ihn damals mochte.
      Und so stand ich mit einer Hand an meinem Kaffee nippend, mit der anderen Hand die Fernsteuerung gen Kran gerichtet, neben der ebenfalls Kaffee trinkenden Frau Siepmann im Bad, und wir schauten ihrem Mann unter der Decke hinterher, wie er langsam hoch über den Fußbodenkacheln den Raum durchquerte.
      Nur das Brummen der Kranhydraulik im Raum, ein Ächzen des Trägerbalkens in der Decke und ein gelegentliches Quietschen waren zu hören, wenn sich Herr Siepmann unfreiwillig wie ein kleiner Planet um seine eigene Achse drehte, den Blick starr geradeaus gerichtet, als wäre er alleine im weiten Universum.
      Nutzlos pfiff dabei jeden Tag leise die Anfangsmelodie aus dem Film ‚Odyssee 2001‘.
      Nach der Morgentoilette folgte das Bad und zum Abschluss das Wiegen auf einer Spezialwaage, gekauft auf einem Landmarkt für Stalltierartikel. Das hatte mir Nutzlos am ersten Tag gesagt, als wir aus dem Haus und auf dem Weg zum Wagen waren.
      „Und, junger Mann?“, er schaute bei der Frage zur Decke.
      „258 Kilo, Herr Siepmann.“
      „Sehen Sie, ich bin einer

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