Die Lucifer Direktive
Afrikas und der übrigen Dritten Welt gewesen, von denen du wahrscheinlich nie gehört hast. Die Regierungen springen nicht immer gut mit idealistischen Amerikanern um, die ihrem Volk Mathe beibringen wollen. Heute das Alphabet, morgen die Revolution – so nach dem Motto. Jedenfalls kam mein Jeep mitten in Äthiopien mal von der Straße ab, und ich mußte mich zwölf Stunden lang zwischen Bäumen und Büschen verstecken, während ich die ganze Zeit das Trampeln von Soldatenstiefeln in meiner Nähe hörte. Ich kam aus dem Schlamassel raus und gelangte zu dem Schluß, daß es an der Zeit wäre, mich besser abzusichern. Also kaufte ich auf dem Schwarzmarkt ein paar Knarren und übte fünf Stunden täglich. Ich konnte mir nicht leisten, keine richtige Expertin zu werden.«
»Hast du sie vor dem heutigen Tag schon mal benutzen müssen?«
»Du wärst überrascht, wie der Anblick eines jungen Mädchens mit einer Knarre in der Hand auf einen Mann wirkt, Lennagin. Im allgemeinen werden unfreundliche Soldaten und Handlanger des Regimes ganz klein und verziehen sich. Ab und zu funktioniert es nicht. Aber ich bin noch da, und sie nicht. Beantwortet das deine Frage?«
»Hundertprozentig.«
»Wie steht's mit dem Rest deiner Geschichte? Wie kam es dazu, daß du Lutz Stettner aufgesucht hast? Es gehörte nicht zu seinen Angewohnheiten, neue Kunden von der Straße aufzulesen.«
»Ich habe ihm erzählt, ich sei einer von Blacks Boys … in mehr als nur einer Hinsicht.«
»Und das hat er dir abgenommen?« fragte sie ungläubig.
»Ich kann sehr überzeugend sein, wenn die Falle über mir zuzuschnappen droht.«
»Trotzdem, wenn Stettner auch nur ein bißchen Grips gehabt hätte, hätte er dich längst erschossen, ehe ich auf der Bildfläche erschien. Was hat dich zu ihm geführt?«
»Das gleiche wie dich, auch aus demselben Grund. Ich wußte, daß er die Kalaschnikows verkauft hat, die … ehm … gegen deine Familie eingesetzt worden sind. Daher dachte ich mir, über ihn ließe sich eine Verbindung zu Black herstellen.«
»Und konnte er das?«
»Ich bin mir nicht sicher. Er hat mir eine Adresse in Hamburg gegeben. Deutschland.«
Plötzlich drehte sie sich zu ihm um. Ihre Augen waren so lebendig und loderten mit einer Leidenschaft, die er bei ihr nie für möglich gehalten hätte. »Wo in Hamburg?«
Dan kramte die Adresse aus seinem Gedächtnis. »In der Gegend der Reeperbahn. Eine Bar namens Zum Vergnügen, die mittendrin liegt.«
»In Nähe der Herbertstraße?«
»Kann man von dort aus überschauen, hat Lutz erzählt. Aber woher weißt du …«
»Sieht so aus, als wärst du letztlich doch noch zu was nütze. Eine große Sache.« Zum erstenmal sah Dan sie lächeln. Es verschwand aber rasch wieder. »Wie steht's mit einem Namen? Hat Stettner dir einen Namen genannt?«
»Bauer.«
»Wolfgang Bauer?«
Dan nickte.
Wieder erstrahlte ihr Lächeln. Diesmal etwas länger. »Heiliger Bimbam! Du hast den verdammten Jackpot gewonnen!«
»Ich kapiere gar nichts.«
»Woher auch! Wahrscheinlich bist du zuvor nie aus den freundlichen Grenzen der Staaten herausgekommen, Collegeboy. Wahrscheinlich weißt du über Terrorismus ebensoviel wie ich über englische Literatur.«
»Von englischer Literatur verstehe ich nicht so viel. Aber ich habe Bücher über Terrorismus gelesen, seit ich zwölf war.«
»Alles, was du denen entnehmen kannst, sind Fußnoten voll politischem Schwachsinn. Aber das hier ist die nackte Wirklichkeit.«
Dan sah Jill fragend an.
»Eine Bar namens Zum Vergnügen, Collegeboy. Einer der schmutzigsten, verkommensten, gemeinsten Orte der Welt. Im Hauptgeschoß kann man Schnaps und Frauen kaufen. Und falls das deinem Geschmack nicht entspricht und du genug Geld in der Tasche hast, gibt es noch genug Jungs, Mädchen und Drogen im Untergeschoß. Alles, was du begehrst, kann man dir gegen Geld auf der Reeperbahn beschaffen, und Zum Vergnügen ist ein Hauptumschlagplatz für Geld und Ware. Aber oben geht der Spaß erst richtig los. Dort tummelt sich Bauer als Mitglied jener unsterblich deutschen Terrorbande. Die Bar ist eines ihrer Hauptquartiere.«
»Baader-Meinhof?«
Sie lächelte ihn an. »In dem Kurs kriegst du eine Eins, Collegeboy, aber laß dir das nicht zu Kopf steigen. Sicher haben deine Bücher dir weisgemacht, daß die Baader-Meinhof-Bande nur ein Sammelbecken für Terroristen ist. In mancher Hinsicht stimmt das, wenn auch heute kaum noch was davon übrig ist. Vor ein paar Jahren ging ihnen das Geld
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