Die Ludwig-Verschwörung
Mann auf dem Mond, fern von allem, was warm, hell und lebendig war.
Ich verbeugte mich tief und begab mich dann hastig und ohne ein weiteres Wort nach unten. Mit einem Mal wollte ich nur noch weg von hier, weg von diesen nackten Gemächern, von all dem kalten Prunk, der Stille und Dunkelheit. Ich stolperte nach draußen und atmete tief aus, als könnte ich damit all das Böse aus dem Schloss wie giftiges Gas aus mir heraushusten.
Als ich nach oben blickte, stand dort noch immer der König und starrte hinaus auf den Wald.
Eine blutleere, wächserne Puppe, ohne Leben.
WFT, IFGQMT, IFI, IQT
Der nächste Morgen empfing mich warm und hell.
Ich öffnete die Augen, weil mich die Sonnenstrahlen in der Nase kitzelten. Die letzte Nacht war nur noch ein Spuk, und so begab ich mich in bester Laune nach unten in die Küche, wo Maria mit dem Abwasch beschäftigt war. Leise schlich ich mich von hinten an und hielt ihr die Augen zu, woraufhin sie lachend mit ihren nassen Händen nach meinem Gesicht tatschte. Unser gestriger Streit über Ludwig schien vergessen zu sein.
»Lass das, Theodor!«, rief sie schnippisch. »Sonst seif ich deinen schwarzen Rock ein und sag’s dem König!«
»Nur, wenn du mir versprichst, mit mir ins Freie zu gehen«, beharrte ich. »Und zwar ohne Leopold. Ich hab dem Kleinen eine neue Steinschleuder versprochen, wenn er uns beide in Ruhe lässt. Dafür werd ich auch kein Wort mehr über den König verlieren, abgemacht?«
»Also gut«, seufzte sie. »Aber nur für eine Stunde. Dann muss ich die Wäsche machen.«
Ich ließ sie los, und gemeinsam rannten wir lachend wie zwei Kinder hinaus ins Grüne, den Klosterhügel hinunter und auf den Wald zu, der sich über weite Teile der Insel erstreckte. Noch immer hatte ich Maria nicht auf ihre seltsamen Ausflüge nach Oberammergau angesprochen. Ich beschloss, damit noch zu warten. Irgendwann würde sie mir vielleicht selbst davon erzählen. Bis dahin hoffte ich, dass Leopold nur die Frucht einer kurzen, längst erkalteten Leidenschaft gewesen war und kein anderer Mann zwischen mir und meiner Liebsten stand.
Kaum hatten uns die schattigen Buchen im Süden der Insel umfangen, versuchte ich Maria erneut festzuhalten und auf den Mund zu küssen. Diesmal sah sie mich zornig an, jeglicher Schalk war plötzlich aus ihren Augen verschwunden.
»Wenn du mich dafür in den Wald gelockt hast, dann lass dir sagen, dass ich keine Dirne aus der Au bin!«, zischte sie. »Das kannst du mit deinen anderen Mädchen machen, nicht mit mir!«
»Es gibt keine anderen Mädchen!«, beteuerte ich. »Maria, ich verstehe dich wirklich nicht. Magst du mich denn kein bisschen?«
»Mehr, als du dir denken kannst«, murmelte sie. »Aber es geht eben nicht.«
»Um Himmels willen, warum denn nicht? Wenn es wegen Leopold ist, dann glaub mir …«
Doch sie hatte sich bereits abgewandt und lief weiter in den Wald hinein. Kopfschüttelnd eilte ich ihr hinterher. Seitdem wir uns kennengelernt hatten, war Maria für mich ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Ich hoffte inständig, dass sie mich liebte – dennoch schien sie merkwürdig verschlossen, sobald ich ihr meine Zuneigung zeigte. Ob sie für den Vater ihres Kindes doch noch immer etwas empfand, auch wenn er sie vor Jahren hatte sitzen lassen?
Nach einer Weile hatte ich sie wieder eingeholt. Sie saß auf einem moosigen Stein neben einem kleinen sprudelnden Bach und weinte leise. Vorsichtig setzte ich mich neben sie und hielt sie ganz fest. Ihr ganzer Körper zitterte.
»Er … er bringt mich um«, flüsterte sie. »Ich kann nicht, Theodor. Er bringt mich sonst um.«
Ich erstarrte. »Wer?«, fragte ich hastig. »Wer bringt dich um? Leopolds Vater?« Endlich beschloss ich, mein Schweigen zu brechen. »Hör zu, Maria«, begann ich zögernd. »Ich weiß von deinen heimlichen Treffen in Oberammergau. Ich … ich bin euch gefolgt, weil ich blind vor Eifersucht war. Dieser Mann dort hat keine Macht mehr über dich! Er hat dich im Stich gelassen, und …«
»Dummkopf!«, schrie sie plötzlich wie von Sinnen. »Was redest du da? Du verstehst nichts! Nichts!«
Im nächsten Moment rief nicht weit von uns ein Eichelhäher. Ich schreckte hoch und sah hinter einer der Buchen, nur etwa zwanzig Schritt von uns entfernt, eine Gestalt stehen. Sie hatte sich ein wenig hinter dem Stamm hervorgeschoben, wohl um uns besser beobachten zu können, und so erkannte ich einen schwarzen Kutschermantel ohne Ärmel, einen Zylinder und einen Spazierstock
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