Die Ludwig-Verschwörung
mit Elfenbeingriff, den der Mann in der Hand hielt. Plötzlich wandte er mir sein Gesicht zu, und mir stockte der Atem.
Es war Carl von Strelitz.
Der preußische Agent zögerte keine Sekunde. Mit seiner freien Hand griff er in die Innentasche seines Mantels und zog eine kleine schwarze Pistole hervor. Es krachte, und die Rinde der Buche direkt hinter mir platzte auf wie unter einem Peitschenschlag. Ich packte Maria am Arm und zog sie hinter den Stein.
»Hast du mit diesem Mann etwas zu schaffen?«, zischte ich, während ein weiterer Schuss ertönte und Steinstaub auf uns herabrieselte. »Hast du ihn mir auf den Hals gehetzt? Sprich! Ist er der Mann, der dich umbringen will?« Schweigend schüttelte Maria den Kopf, sie schien vor Angst wie erstarrt.
Verzweifelt versuchte ich meinen Atem zu beruhigen, doch mein Herz schlug immer noch wie verrückt. »Er hat einen doppelläufigen Derringer«, sagte ich schließlich leise und spähte vorsichtig hinter dem Stein hervor. »Mit der gleichen Waffe hat er vor ein paar Wochen schon einmal auf mich geschossen. Weiß der Teufel, wie er mich gefunden hat! Auf alle Fälle muss er nun nachladen.« Ich sah Maria fest in die Augen. »Wir werden jetzt laufen, hörst du? Hinüber zum Schloss, da sind wir sicher. Dreh dich nicht um und renn, so schnell du kannst. Eins, zwei, los !«
Beim letzten Wort sprangen wir hinter dem Felsen vor und rannten wie die Hasen. Das Schloss mochte von hier aus nicht mehr weit entfernt sein. Ich konnte nur hoffen, dass Carl von Strelitz uns nicht vorher einholte. Während des Laufens wirbelten mir die verschiedensten Gedanken durch den Kopf. Was hatte der preußische Agent auf Herrenchiemsee verloren? War er immer noch hinter mir her? Aber er musste doch davon ausgehen, dass ich dem König längst von seinem Treffen mit Dr. Gudden erzählt hatte! War es also einfach nur Rache, die ihn hierher trieb, oder gab es noch einen anderen Grund, warum Strelitz auf der Insel war? Was hatte Maria gemeint, als sie sagte: Er bringt mich um?
Wir hasteten über kleine Bäche und durch dichtes Unterholz, so dass mein Rock schon bald schmutzig und am Saum zerrissen war. Maria neben mir keuchte, doch tapfer rannte sie weiter auf das Schloss zu, das irgendwo hinter den Bäumen im Nordosten verborgen sein musste. Ich konnte nur hoffen, dass wir es in der Aufregung nicht verfehlten. Als ich mich einmal kurz umwandte, sah ich, dass von Strelitz noch immer seinen Spazierstock in der Hand hielt. Jetzt zog er an dem elfenbeinernen Griff, und eine lange dünne Klinge erschien, mit der er sich einen Weg durch das Unterholz schlug. Er holte mehr und mehr auf.
Neben mir stolperte Maria plötzlich und fiel der Länge nach in einen morastigen Bachlauf. Ich hörte von Strelitz triumphierend aufheulen. In diesem Augenblick wusste ich, dass wir es nicht schaffen würden.
»Lauf weiter zum Schloss!«, rief ich ihr zu und zerrte grob an ihrem Kleid. »Ich halte ihn solange auf!«
»Aber …«
»Keine Widerrede!« Ich zog sie aus dem Graben, sie wankte, taumelte und hastete endlich weiter.
Der preußische Agent war jetzt nur noch wenige Schritte hinter mir, ich konnte die Zweige knacken hören, als er durch das Dickicht brach und auf mich zustürzte. Den Stockdegen hielt er weit ausgestreckt von sich, um mich wie einen Eber abzustechen. Im letzten Moment drehte ich mich zur Seite und ließ ihn ins Leere laufen, wobei ihm der Zylinder vom Kopf flog.
Ohne den Agenten aus den Augen zu verlieren, griff ich nach einem dicken Ast, der auf dem moosigen Boden lag, und holte damit aus. Von Strelitz sprang zurück, täuschte links eine Bewegung an, um schließlich von rechts zuzustoßen. Die Klinge riss meinen ohnehin lädierten Rock auf und traf mich direkt in der Brust, wo sie auf unerwartet harten Widerstand traf. Ich taumelte einen Schritt zurück und sah staunend an mir hinab. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, tödlich verwundet zu sein. Doch eine glückliche Fügung hatte mich zunächst vor dem Ende bewahrt: Es war meine silberne Taschenuhr, die den Stoß der Klinge abgefangen hatte!
Mit neuem Mut stürzte ich mich nun meinem Feind entgegen. Diesmal schwang ich den Ast wie eine Sense, während ich wie ein Berserker brüllte. Von Strelitz wich aus, doch der Prügel erwischte ihn seitlich in Brusthöhe, so dass er ins Wanken geriet. Während er zurückruderte, holte ich noch einmal aus und traf ihn diesmal an der linken Schläfe. Von Strelitz verdrehte die Augen, ließ den
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