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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Kronleuchter und die vergoldeten Kandelaber, die gleich einer Armee, bestückt mit Tausenden von Kerzen, links und rechts des Saales standen. Ihr Licht wurde von den Spiegeln wieder und wieder reflektiert; der ganze Raum erstrahlte auf diese Weise in einer derartigen Helligkeit, dass ich mir einen Moment lang die Hand vor die Augen halten musste, um nicht geblendet zu werden.
    »Mein Spiegelsaal«, sagte der König und stellte sich mit weit ausgebreiteten Armen in die Mitte des Raums. »Er ist größer als der in Versailles! Hier kann ich nachts einsam wandeln und meinen Gedanken nachhängen, so wie es die großen Könige der vergangenen Jahrhunderte getan haben, so wie Ludwig XIV.« Der König sah mich mit einem verträumten Lächeln an. »Wusstet Ihr, dass es eine direkte Linie von mir zum Sonnenkönig gibt? Mein Großvater wurde noch von Ludwig XVI. getauft. Ich fühle mich als Erbe der Bourbonen, ich bin der Letzte, der die Monarchie so lebt, wie sie dem göttlichen Prinzip entspricht.«
    »Ist das hier nun Eure Idee?«, fragte ich und deutete auf die funkelnden Kandelaber um uns herum. »Ein Licht in der Nacht? Seid Ihr das Licht für Europa?«
    Ludwig nickte eifrig, und aus seinen Augen sprühte Begeisterung. »Der König ist der leuchtende Mittelpunkt, um ihn dreht sich alles!«, rief er laut aus. »Er ist das eigentliche Bild, nicht der Schatten an der Wand. Fehlt der König, dann gerät die Welt aus den Fugen, und es folgt das Chaos. Schaut Euch doch nur um, Marot!« Er deutete aus dem Fenster. »Wo Ihr hinblickt, nichts als Krieg, Zerstörung und Entfremdung. Wir rasen auf ein kannibalistisches Jahrhundert zu. Glaubt mir, nicht ich bin verrückt, sondern die Zeit, in der wir leben!« Der König seufzte tief. »Auf mir lastet eine von Gott gegebene Verantwortung. Das macht einsam, Marot. Sehr einsam.«
    Plötzlich erkannte ich, was ich schon die ganzen letzten Minuten gespürt hatte und was mich trotz der vielen Kerzen frösteln ließ. Es war nicht die Kühle des Herbstes, die diese Gemächer durchwehte, sondern die Einsamkeit selbst. Wir waren ganz allein in diesem gähnend leeren Schloss, mit seinen unfertigen Gemächern, seinem Blattgold und seinem falschen Marmor auf nacktem Stein. Es gab kein Gelächter der Dienstmägde, kein Geflüster der Lakaien, keine Gerüche aus der Küche, keine Musik, kein Rauschen von Wasser, nichts. Wenn die Lichter im Spiegelsaal ausgingen, würden wieder Kälte und Dunkelheit ins Schloss einziehen. Ich roch förmlich die Angst des Königs, dass ein plötzlicher Windstoß alle Kerzen ausblasen könnte und ihn allein ließe mit der Nacht.
    »Ich brauche einen Freund«, murmelte Ludwig in die Stille. »Alle haben sie mich verlassen. Lutz, die übrigen Minister, mein über alles geliebter Wagner, sogar der treue Hornig. Seid mein Freund, Marot. Ich bitte Euch als Euer König.«
    »Es … wäre mir eine Ehre, Euer Majestät«, stammelte ich. »Aber, glaubt mir, Ihr seid nicht allein. Das Volk liebt Euch. Geht nach München und zeigt ihm, dass Ihr es ebenso liebt.«
    Wieder lächelte Ludwig, doch es lag etwas unsagbar Trauriges in seinem Blick. »Hat sich der Sonnenkönig seinem Volk gezeigt?«, fragte er leise. »Barbarossa? Friedrich der Staufer? Sie alle waren einsam. Glaubt mir, ein König verliert seinen Glanz, wenn er sich dem Pöbel vor die Füße wirft.«
    Ich spürte, wie ich gegen so viel Starrsinn innerlich aufbegehrte. »Ihr sollt Euch doch nur zeigen!«, rief ich. »Ist das denn zu viel verlangt? Ein Winken von Euch, und die Intrige Eurer Feinde hat ein Ende!«
    Der König runzelte die Stirn. »Ich habe mich gezeigt, Marot. Früher. Doch seitdem gab es zwei Kriege, die ich nicht wollte. Die Minister tanzen mir auf der Nase herum, über den Städten hängt der Rauch der Manufakturen, und die Leute reden von Sozialismus und von Revolution. Das ist nicht mehr meine Welt.« Ludwig wanderte nun durch den erleuchteten Saal, und seine Stimme hallte von den Wänden wider. »Ich gehöre nicht in diese Zeit, Marot. Und wenn ich schon untergehen soll, dann als letzter großer Herrscher. Als ein Exempel, was Monarchie einst bedeutet hat. Als der letzte wahre König.«
    »Aber Euer Majestät …«, begann ich flehend. Doch Ludwig winkte ab.
    »Geht jetzt, Marot. Lasst mich allein.« Er sah aus einem der großen Fenster hinaus in den Garten, und mit einem Mal kam er mir trotz seiner Größe und Leibesfülle wie ein verletzliches Kind vor. Wie der einsamste Mensch im Universum. Ein

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