Die Ludwig-Verschwörung
Wahl nie von langer Dauer war. Ludwig hatte gerne schöne Männer an seiner Seite. Der König hatte dabei mir gegenüber noch nie unziemliche Annäherungen gemacht, ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass er zu solchen Trieben, egal ob gegenüber Frauen oder Männern, überhaupt fähig war. Auch von seiner Verlobten, Prinzessin Sophie von Bayern, einer Schwester Sisis, hatte er sich schon nach wenigen Monaten wieder getrennt. Aber jetzt schien er an mir Gefallen gefunden zu haben, und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
»Wenn Ihr müde seid, dann habe ich etwas, was Euer Herz wieder aufmuntern wird.« Der König erhob sich schnaufend, wobei krachend ein Stuhl umfiel. »Lasst uns hinüber ins Schloss gehen, werter Marot. Es ist ohnehin Zeit. Wir wollen hoffen, dass die faulen Hunde die Kerzen bereits entzündet haben.«
Über eine schmale Treppe verließen wir das Kloster und schritten schweigend, nur begleitet von zwei mit gepuderten Perücken kostümierten Lakaien, hinüber zum Schloss Herrenchiemsee. Im Westen, über dem Kanal, ging soeben als glutroter Ball die Sonne unter.
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Der Anblick war gewaltig.
In der Dunkelheit des Waldes schimmerte etwas Helles, unglaublich Großes wie eine monströse Laterne. Als wir die Bäume hinter uns ließen, tauchte plötzlich das Schloss auf. Der gesamte erste Stock glitzerte, ein warmes Funkeln brach sich in den Fensterscheiben und leuchtete bis zu den Brunnen und den Blumenbeeten hinab.
»Ich sehe, man hat alles vorbereitet«, sagte der König, und seine Stimme nahm einen pathetischen Ton an. »Gut. Sehr gut. Dann folgt mir, mein treuer Paladin.«
Er gab den beiden Lakaien ein Zeichen, und sie blieben mit einer tiefen Verbeugung zurück. Wir beide schritten weiter durch die von Marmorstatuen gesäumte Eingangshalle und über eine breite Treppe in den ersten Stock, wo sich die Gemächer des Königs befanden. Auf dem Weg dorthin sah ich immer wieder einzelne unfertige Räume, die kahl und unverputzt eine seltsame Kälte ausstrahlten. Umso phantastischer erschienen mir die darauffolgenden Zimmer. Sie alle waren über und über mit vergoldetem Stuck, Marmor und wertvollsten hölzernen Vertäfelungen versehen. Kronleuchter funkelten von der Decke, und der Boden war von spiegelblank gebohnerter Eiche mit verschnörkelten Ornamenten aus Palisander. Überall hingen Bilder, die den französischen Sonnenkönig in seiner ganzen Pracht zeigten. In Schlachten, zu Hofe oder überlebensgroß im weiten Königsmantel. Büsten und kleine Statuen des französischen Königs grüßten uns aus jeder Ecke. Ludwig XIV. war allgegenwärtig, er schien über uns zu schweben wie die Sonne selbst.
Ludwig stolzierte vor mir, als befände er sich allein auf einer Bühne, mit weit ausholendem Schritt, den Kopf steif und aufrecht haltend. Er schien ganz und gar absorbiert von der Wirkung des Prunks um ihn herum.
»Mein Schlafzimmer«, flüsterte er und deutete auf ein gewaltiges Himmelbett mit blauem Baldachin und golddurchwirkten Seidenvorhängen. Davor befand sich ein vergoldeter Ständer, auf dem eine Glaskugel von innen bläulich schimmerte. Der König umfasste sie wie ein Wahrsager seine Kristallkugel und begann sie sanft zu streicheln. »Hier genau ist die Mitte der Sonnenbahn, das Zentrum des Universums«, sagte er und küsste die Kugel. »Der Platz, von dem aus der König die Geschicke seines Volkes lenkt.«
»Ist das die Idee, von der Ihr spracht?«, fragte ich mit leiser Skepsis. »Seid Ihr das Zentrum allen Seins?«
Der König richtete sich zu seiner ganzen Größe auf. Einen Moment lang blitzten seine Augen zornig auf, genau wie am Nachmittag, als er den Bauaufseher niedergeschlagen hatte. »Gott gab jedem seinen Platz auf Erden«, erwiderte er schließlich und wandte sich ab. »Kommt mit, und Ihr werdet verstehen.«
Ludwig ging voraus, und wir durchschritten einen kleinen Durchgangsraum, bis wir endlich vor einer zweiflügligen Tür standen.
»Voilà«, hauchte der König. »Spürt den Hauch der Geschichte.«
Er öffnete theatralisch die beiden Flügel, und ich erblickte einen gewaltigen Saal, der sich zur Linken und Rechten bestimmt über hundert Schritt weit erstreckte. Die Decke wurde von unzähligen historischen Szenen geziert, in denen immer wieder der Sonnenkönig auftauchte. Über ein Dutzend Bogenfenster gaben den Blick auf den Vorplatz des Schlosses frei. Ihnen gegenüber befanden sich ebenso viele Wandspiegel. Das Beeindruckendste jedoch waren die
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