Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
Stockdegen fallen und ging schließlich wie ein gefällter Baum zu Boden.
    Anstatt ihm den letzten tödlichen Schlag zu versetzen, warf ich in meiner Angst den Ast weit von mir und hastete davon. Fast rechnete ich damit, dass von Strelitz mir nachsetzen würde, doch plötzlich lichteten sich die Bäume und vor mir tauchte der grüne gepflegte Rasenteppich an der Westseite des Schlosses auf. Zur Rechten erhoben sich die beiden Brunnen und die Gartenanlagen, zwei Gärtner mit Schubkarren starrten mich staunend an, als ich wie eine gehetzte Wildsau aus den Büschen stob.
    Hektisch sah ich mich nach Maria um. Sie musste hier irgendwo sein! Oder war sie in ihrer Panik weiter zum Kloster geeilt? Endlich entdeckte ich sie wie tot neben einem der Bassins liegen. Ich stolperte noch einige Schritte auf das Becken zu, dann sank auch ich zu Boden. Als ich mich noch einmal umdrehte, ragten schweigend die Bäume hinter mir auf, wie eine hohe dunkle Wand, hinter der das Böse tobte.
    Von Strelitz blieb verschwunden.
    »Wer … wer war das?«, keuchte Maria, während sie auf dem Rücken liegen blieb und immer noch um Atem rang.
    Ich brauchte eine Weile, bevor ich etwas erwidern konnte. Mein Mund war erfüllt von einem Geschmack nach Eisen, der Brustkorb tat mir weh von dem Hieb mit dem Degen »Ein … alter Bekannter«, brachte ich endlich hervor. »Und du? Bleibst du dabei, dass du den Mann noch nie zuvor gesehen hast?«
    »Bei Gott, nein, nie! Wieso sollte ich?« Sie richtete sich auf und sah mich verstört an, ihr Gesicht starrte vor Schmutz und vor Blut, das in einem feinen Rinnsal aus einer Wunde an der Stirn floss. »Um Himmels willen, Theodor!«, klagte sie. »Was verheimlichst du mir bloß?«
    Ich schüttelte den Kopf und beugte mich über sie, um ihr das Blut abzuwischen. »Nichts, was mit dir zu tun hat«, flüsterte ich. »Glaub mir, es ist besser, wenn du nichts davon weißt.«
    »Aber wie soll ich dir weiter vertrauen, wenn du mir nicht vertraust?«
    »Ich habe einen Eid geschworen.«
    »Einen … Eid?«
    Ich legte ihr die Hand auf die Lippen und fuhr fort, mit dem Wasser aus dem Bassin ihr Gesicht und ihr Kleid notdürftig zu reinigen. Als ich damit fertig war, wandte ich mich ab und ging schweigend auf eines der vielen Blumenbeete zu.
    »Was hast du vor?«, rief sie. »Lass mich hier nicht allein!«
    Ich begann hastig einen Strauß weißer Lilien zu pflücken. Als ich damit fertig war, kam ich zurück und kniete mich vor ihr nieder. Andächtig und mit gesenktem Haupt, wie ein Paladin vor seiner Königin, überreichte ich ihr die Blumen.
    »Teuerste Maria«, begann ich zögerlich. »Die … die Lilie ist seit jeher ein Symbol der Reinheit und Unschuld. Bei der Heiligen Jungfrau Maria und diesen Blumen hier schwöre ich feierlich, dass all die schlimmen Geschehnisse der letzten Zeit meine Liebe zu dir nicht zerstören können! Ich liebe dich, Maria.«
    Mit diesen letzten Worten zog ich sie zu mir herab, die weißen Lilien fielen ihr aus der Hand, und wir versanken eng umschlungen in einem Meer aus Blumen. Zum ersten Mal küsste ich sie auf den Mund. Sie schmeckte nach Morast und Blut, nach Schweiß und dem süßen Duft eines Apfelkuchens, den sie heute früh noch gebacken hatte. Ich hatte noch nie in meinem Leben etwas so Wunderbares gekostet.
    In diesem Augenblick ertönten hinter uns knirschende Schritte auf dem Kies. Ich schreckte hoch, in der Angst, Carl von Strelitz könnte auf dem Weg stehen.
    Doch es war nicht Strelitz, es war der König.
    Ludwig schien seit gestern nicht geschlafen zu haben. Sein Gesicht war noch wächserner, als ich es von letzter Nacht her in Erinnerung hatte. In seinen Augen glomm eine kalte Wut, wie ich sie noch nie bei ihm gesehen hatte.
    »Wie … wie könnt Ihr es wagen, Marot«, sagte er mit einer heiseren Stimme, als würde ihm jemand die Kehle mit einem dünnen Band zuschnüren. »Mein Freund … Ich hatte Euch vertraut!«
    »Euer Majestät …«, antwortete ich stockend und richtete mich hastig auf, während ich Staub und Schmutz von meinem Rock klopfte. »Es ist nichts, was …«
    »Geht mir aus den Augen, bevor ich Euch die Euren aussteche!«, keifte er plötzlich, und sein Gesicht schwoll puterrot an. Er schien sich zu doppelter Größe aufzublähen, sein ganzer fetter Körper erzitterte wie ein Berg, den eine innere Kraft jede Sekunde explodieren lassen würde.
    »Ich habe Euch vertraut!«, brüllte er. Er hob die Lilien vom Boden auf und warf sie mir wie einen Fehdehandschuh

Weitere Kostenlose Bücher