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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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einen tiefen Diener. »Majestät, verzeiht, aber es gab unterschiedliche Entwürfe und …«
    »Unterschiedliche Entwürfe?« Ludwigs Gesicht lief krebsrot an. »Was soll das? Es zählt nur der jeweils neueste Entwurf, und den habe ich selbst in Auftrag gegeben! Welche Impertinenz! Bei Gott, das ist Majestätsbeleidigung !« Mit seinen starken Armen riss er plötzlich eine Staffelei vom Boden und begann damit auf den Bauleiter einzuprügeln. »Die Figur kommt weg!«, kreischte er wie besessen. »Noch heute! Ruemann soll eine neue gießen, und zwar so, wie ich es ihm verdammt noch mal gesagt habe!«
    Ich eilte auf Ludwig zu und versuchte ihm die kleine Holzleiter zu entreißen, bevor er den armen Mann totprügelte. »Majestät, haltet ein!«, rief ich. »Es war doch nicht sein Fehler! Hört auf, bevor noch ein Unglück passiert!«
    Plötzlich hielt Ludwig im Prügeln inne und sah mich erstaunt an. Schon glaubte ich, er würde nun genauso auf mich eindreschen. Doch er ließ die Staffelei fallen und wandte sich von dem Unglückseligen ab. »Ihr … Ihr habt recht, Marot«, keuchte er. »Ich darf mich nicht immer so hinreißen lassen. Aber hier geht es um mehr, es geht um eine Idee, die das Menschliche überragt! Versteht Ihr? Da muss man manchmal Strenge walten lassen.«
    »Eine Idee?«, fragte ich zögernd. Ich erinnerte mich daran, was Maria mir im Zug zu erklären versucht hatte.
    »Ihr werdet es sehen. Heute Nacht werdet Ihr es sehen.« Der König winkte einen weiteren Bauaufseher zu sich, der sich nur zögerlich näherte. »Heute Abend sollen im Spiegelsaal alle Kerzen brennen«, befahl er mit lauter Stimme. »Für mich und meinen lieben Gefährten hier.«
    »Aber das sind fast zweitausend Kerzen«, wandte der Mann vorsichtig ein. »Ich weiß nicht, ob wir …«
    »Heute Abend um acht Uhr. Keine Widerrede.« Ludwig packte mich am Arm und zog mich von den Bauarbeiten weg. »Kommt mit mir, Marot. Wir wollen drüben im Kloster ein einfaches Mahl zu uns nehmen. Ich brauche jetzt einen Freund.«

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    Auf schmalen verschlungenen Pfaden näherten wir uns dem alten Augustiner-Chorherrenstift, das in den letzten Jahrzehnten einer maroden Brauerei als Sitz gedient hatte. Im ehemaligen Konvent- und Fürstenstock hatte sich Ludwig einige spartanische Räume einrichten lassen, von wo aus er während der nächsten zwei Wochen die Bauarbeiten überwachen wollte. Ich selbst bekam eines der Zimmer im ersten Stock zugewiesen, doch der König forderte mich auf, ihn sofort zu seinem Mahl zu begleiten, das wir in einem der ehemaligen Prunkzimmer des Stifts einnahmen. Widerstrebend folgte ich ihm. Eigentlich hatte ich gehofft, unten in der Küche mit Maria und Leopold essen zu können.
    Es wurde ein gespenstisches Diner. Der König aß nicht, er fraß. Bratensoße und zermanschte grüne Erbsen bekleckerten seinen Bart und seinen Rock, doch Ludwig dachte nicht daran, sich mit einem Tuch zu säubern. Den Wein kippte er in großen Zügen herunter, wobei ihm der rote Saft über das Kinn bis in den Kragen lief. Nur noch selten speiste der König in größerer Gesellschaft, und wenn überhaupt, dann versteckte er sich dabei hinter Bergen von Tellern und Gläsern. Wie ein uralter bacchantischer Gott schaufelte er alles in sich hinein, so als könnte er mit der Nahrung ein inneres Feuer löschen.
    »Greift zu«, murmelte er zwischen zwei Bissen. »Für den Anblick, den ich Euch heute Nacht gewähre, braucht Ihr Kraft. Ihr seid mein Auserwählter.«
    »Sehr wohl, Euer Majestät.« Ich nickte und stocherte weiter in meinen Erbsen. Kurz überlegte ich, den König ein weiteres Mal auf die Intrige der Minister anzusprechen, entschied mich dann aber dagegen. Der Zeitpunkt erschien mir ungünstig. Es sah ganz danach aus, als drohte Ludwig wieder in seine Traumwelt abzugleiten. Ich würde einen seiner vernünftigeren Momente abpassen müssen.
    »Ist etwas, Marot?«, fragte der König und hielt erstaunt mit dem Essen inne. »Ihr wisst, Ihr könnt mir alles sagen. Ich bin Euer König.« Er lächelte, und ich sah die eitrigen schwärzlichen Stumpen zwischen seinen vollen Lippen. »Euer König und Euer Gefährte«, wiederholte er ernst.
    »Ich weiß das zu schätzen, Euer Majestät«, erwiderte ich leise und spürte, wie mir der kalte Schweiß ausbrach. »Aber es ist wirklich nichts. Nur die Müdigkeit nach der langen Reise.«
    Ich erschauerte innerlich. Schon mehrmals hatte mich Ludwig zu seinem engen Freund auserkoren, aber ich wusste, dass diese

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