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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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schicken? Bis nach Füssen sind es gut und gern 50   Meilen. Bei dem Wetter dort draußen brauchen Sie dafür mindestens vier Stunden. Und die Delegation mit Gudden kommt in …« Er nahm seine goldene Taschenuhr heraus. »… exakt zwei Stunden dort an. Also vergessen Sie es. Außerdem ist es zwecklos! Der sture König wird auf keinen von uns hören. Mich hat er aus dem Dienst entlassen, mit Kaulbach hat er sich wegen der Skizzen für die Falkensteinruine überworfen, der Doktor ist zu alt, und Dürckheim ist in den Urlaub geschickt worden! Wer von uns also sollte gehen?«
    »Ich«, sagte ich entschlossen.
    »Sie?« Hermann Kaulbach sah mich skeptisch an. »Soweit ich weiß, hat der König Sie nach dieser leidigen Affäre auf Herrenchiemsee für immer aus seinem Freundeskreis verbannt. Als ich ihn das letzte Mal traf, sprach er davon, Sie auszupeitschen und auf die Antillen strafversetzen zu lassen.«
    »Ich muss es trotzdem versuchen«, erwiderte ich. »Ich bin sicher, Ludwig liebt mich nach wie vor. Wenn er hört, was für Nachrichten ich überbringe, wird er mir verzeihen.«
    »Oder Ihnen den Kopf abschlagen«, knurrte Richard Hornig. »Bei diesem König ist alles möglich.« Er seufzte, dann stand er auf. »Wie auch immer, wir haben wohl keine andere Wahl. Kommen Sie mit. Ich werde sehen, ob ich ein Pferd in meinem Stall finde, dass Sie nicht an der nächstbesten Wegkreuzung abwirft.«
    Wir entschieden uns für zwei schnelle junge Rappen, die ich abwechselnd reiten sollte. So würde es mir möglich sein, die Strecke nach Neuschwanstein in vollem Galopp zu bewältigen.
    Ich hatte Ludwig früher bei so manchem nächtlichen Ausritt begleitet und hielt mich für einen halbwegs passablen Reiter, dennoch waren die nächsten Stunden für mich die Hölle auf Erden. Es regnete in Strömen, die Wege waren aufgeweicht und matschig; hinzu kam, dass ich kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Wie Hagelkörner schlugen mir die Tropfen ins Gesicht, und die Kleidung klebte mir bereits nach wenigen Minuten am Körper. Hinter Hohenpeißenberg ließ der Regen schließlich ein wenig nach, trotzdem fiel es mir schwer, in der Dunkelheit die richtigen Abzweigungen zu finden.
    Kurz nach Mitternacht tauchten vor mir endlich einige Lichter auf, die mir zeigten, dass ich Füssen erreicht hatte. Wenig später näherte ich mich Schloss Hohenschwangau, in dem Ludwig einen Großteil seiner Kindheit verbracht hatte. Gegenüber auf einer Anhöhe leuchtete im matten Schein die Burg Neuschwanstein. Ein großer Teil des imposanten Gebäudes war noch immer von Baugerüsten umstellt.
    Ich zügelte mein Pferd und sah mich suchend um. Was sollte ich nun tun? Bis jetzt hatte ich immer nur daran gedacht, Neuschwanstein zu erreichen. Jetzt, wo die Burg endlich vor mir lag, zögerte ich. Was war, wenn Gudden, Holnstein und die anderen schon oben beim König waren? Wenn Soldaten das Schloss bereits bewachten? Mit einem Mal kam mir alles schrecklich sinnlos vor. Ich fror, als würde mich ein Fieber schütteln, der Hunger nagte an mir, und ich spürte eine so entsetzliche Müdigkeit wie noch nie zuvor in meinem Leben.
    In diesem Augenblick sah ich einen großen Mann vom Schlossportal Hohenschwangaus hinunter ins Tal wanken. Für einen kurzen Moment glaubte ich, den König zu erblicken, doch dann erkannte ich in der massigen Gestalt den Grafen Holnstein. Der frühere Vertraute des Königs schien schwer getrunken zu haben, torkelnd näherte er sich dem Pferdestall, wo ein Kutscher soeben zwei Pferde an ihren Zügeln herausführte. Schnell zerrte ich meine beiden Rappen hinter einen benachbarten Schuppen und beobachtete von dort aus das weitere Geschehen.
    »He, Knecht!«, brüllte Holnstein und zwirbelte seinen Schnurrbart. »Was tut Er hier?«
    »Ich … ich soll für den König den Wagenbereitmachen«, stammelte der Kutscher. »Die nächtliche Ausfahrt …«
    »Spann Er sofort aus«, fuhr ihm der Graf dazwischen. »Für den König ist ein anderer Wagen bereitgestellt.«
    Der Kutscher sah den Hünen verdutzt an. »Aber der König hat mir doch befohlen …«
    »Der König hat überhaupt nichts mehr zu befehlen!«, bellte Holnstein. »Seine königliche Hoheit Prinz Luitpold hat die Regentschaft übernommen. Also scher Er sich zum Teufel!«
    Dem kleinen schmächtigen Mann blieb der Mund offen stehen. Erst schien er noch etwas sagen zu wollen, dann verbeugte er sich und trieb die Pferde zurück in den Stall. Holnstein sah ihm grimmig nach, dann begab er sich

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