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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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ich unvermittelt. »Die wollen doch nicht etwa den König verhaften?«
    »Im Gegenteil.« Alfons Weber grinste mich an. »Seine Majestät hat soeben Befehl gegeben, die ganze Bande arretieren zu lassen! Wir werden sie uns unten in Hohenschwangau schnappen.« Wie ein Kind klatschte er in die Hände. »Endlich weht hier mal ein frischer Wind!«, rief der Lakai quer über den Burghof. »Sie werden noch sehen, Marot, der König wird nach München fahren und die Minister allesamt zum Teufel jagen. Alles wird wieder gut!«
    Ich nickte, auch wenn ich dem Frieden noch nicht so recht trauen wollte. Doch keine zwei Stunden später taumelten tatsächlich die ersten Gefangenen den Burgberg hinauf. Es waren Graf Holnstein, der bayerische Außenminister Graf Crailsheim und Graf Toerring, der von den Ministern zum zukünftigen Begleiter des Königs bestimmt worden war. Noch immer trugen sie ihre Galauniformen, doch sahen diese jetzt wie Narrenkostüme aus. Den Männern hingen die Dreispitze schief ins Gesicht, ihr Gang war mühsam und schleppend. Zwar waren sie nicht gefesselt, und die Gendarmen gingen in einigen Metern Abstand hinter ihnen, aber die Menge am Straßenrand ließ jeden Gedanken an Flucht unmöglich erscheinen. Es war ein Spießrutenlauf, wie ich ihn meinen schlimmsten Feinden nicht gewünscht hätte.
    »Ich schlag dir die Augen aus, wennst nicht schneller gehst!«, brüllte ein Allgäuer Bauer den Grafen Crailsheim an. Eine junge Bäuerin deutete auf die torkelnden totenbleichen Gefangenen und rief ihrem Buben zu, so dass es alle hören konnten: »Wennst groß bist, dann kannst deinen Kindern sagen, dass du mal Verräter gesehen hast!«
    Jeden Augenblick rechnete ich damit, dass die ersten Steine flogen, dass die ersten Dreschflegel die Köpfe der Beamten wie Lehmbrocken zerschmettern würden, doch nichts dergleichen geschah. Und so trotteten Holnstein, Gudden und die anderen Verräter hinauf nach Neuschwanstein, wo sie im ersten Stock des Torbaus gemeinsam in ein kärgliches Zimmer gesperrt wurden.
    Ich stand im Burghof, ein Lächeln auf den Lippen, und blickte nach oben, wo soeben die Sonne hinter den Mauern aufging. Der König schien gerettet.
    Schon ein paar Stunden später sollte ich bitter enttäuscht werden.

27
    S teven erwachte durch einen intensiven Geruch, der in seiner Nase kitzelte. Als er hochschreckte, sah er vor sich eine junge Frau, die ihm einen Becher mit dampfendem Kaffee hinhielt. Es dauerte eine Weile, bis er erkannte, dass es Sara war. Er hatte wieder von dem Mädchen mit den blonden Zöpfen geträumt, sie hatten miteinander gerungen, und etwas hatte zwischen ihnen auf dem Boden gelegen. Als er danach greifen wollte, hatte der Kaffeeduft ihn zurück in die Wirklichkeit geholt.
    »Du knirschst ganz schön mit den Zähnen, wenn du schläfst«, sagte Sara lächelnd. »Weißt du das? Ich hoffe, das hat nichts mit deiner nächtlichen Lektüre zu tun.« Sie deutete auf das zerfledderte Tagebuch, das aufgeschlagen neben ihm auf dem Boden lag.
    Steven setzte sich müde im Bett auf und nippte dankbar an dem heißen Gebräu, während er versuchte, seinen Traum abzuschütteln. »Wenn ich geknirscht haben sollte, dann eher wegen unserer Erlebnisse letzte Nacht auf Herrenchiemsee«, murmelte er. »Ehrlich gesagt, bin ich jetzt auch nicht schlauer als gestern Abend.« Gähnend erzählte er ihr, was er gelesen hatte, bis ihn schließlich lange nach dem ersten Vogelzwitschern der Schlaf übermannt hatte.
    Sara hörte nachdenklich zu, während sie in kleinen Schlucken an ihrem Kaffee nippte. »Soweit ich es in Erinnerung habe, entspricht das ziemlich genau dem, was über Ludwigs letzte Tage bereits bekannt ist«, sagte sie schließlich. »Vielleicht weiß Zöller ja mehr.«
    »Du traust ihm wieder?«
    Sie lachte leise auf. »Im Gegenteil. Ich hab ihn vorhin unten am See gesehen, zusammen mit irgendeinem unrasierten Typen mit Windjacke und dunkler Sonnenbrille. Die beiden haben ziemlich heftig diskutiert, verstehen konnte ich leider nichts. Aber jetzt halt dich fest.« Sie machte eine dramatische Pause, bevor sie weitersprach. »Eine Viertelstunde später konnte ich kurz Zöllers Handy stibitzen, er hatte seine Jacke unten am Kiosk über einen Stuhl hängen lassen. Ich bin die letzten Verbindungen durchgegangen, und jetzt rate mal, wen unser Onkel Lu in letzter Zeit gleich fünfmal angerufen hat?«
    Stevens Mund fühlte sich trotz des Kaffees plötzlich merkwürdig trocken an. »Jetzt mach’s nicht so

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