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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Zigarette in die glimmenden Scheite. »Oder spätestens morgen. Alles ist verloren.«
    »Heute?« Ich sprang auf. »Aber … aber warum haben wir nicht eher davon erfahren?«
    »Die Aktion war von langer Hand geplant«, knurrte Richard Hornig, der zusammengesunken wie ein Klumpen Lehm in seinem Sessel kauerte. »Das Schwarze Kabinett hat dafür gesorgt, dass niemand zu früh davon erfährt.«
    Ich nickte und dachte mit Schaudern an die Abteilung der Münchner Polizeidirektion, die im Auftrag der Minister das Komplott mit vorbereitet hatte. Graf Dürckheim hatte mir schon des Öfteren von dieser im Geheimen operierenden Beamtenschaft erzählt. Dieses sogenannte Schwarze Kabinett fing seit Monaten sämtliche Briefe an Ludwig II. ab, darunter auch ein Schreiben bayerischer Bankiers, die ihm einen Kredit gewähren wollten. Zeitungen bekam der König nur noch artikelweise vorgelegt, von Graf Dürckheim abgesehen, umgaben ihn nur noch willfährige Beamte und Lakaien, die von Johann Lutz, dem Vorsitzenden des Ministerrats, angewiesen waren, Ludwig in Sicherheit zu wiegen.
    »Verflucht, wir hätten es wissen müssen!« Dr.   Loewenfeld stampfte mit seinem Gehstock laut auf. »Seitdem Ludwig sich im April wegen des Geldes an den Landtag wenden wollte, waren die doch alle aus dem Häuschen! Stellen Sie sich nur vor, die Opposition hätte die Millionen gebilligt und dafür vom König die Ministerposten bekommen. Lutz musste reagieren, sonst hätte es ihn den Kopf gekostet. Warum haben wir nur nicht früher gehandelt!«
    Alle schwiegen, für eine Weile war nur das Ticken der großen Standuhr in der Ecke zu hören.
    »Was haben die Minister vor?«, fragte ich schließlich in die Stille hinein. Es schien, als hätten sich die anderen bereits mit Ludwigs Schicksal abgefunden.
    »Eine Abordnung von Beamten unter Führung der Kanaille Graf von Holnstein ist heute Nachmittag mit Dr.   Gudden und einigen Irrenwärtern nach Neuschwanstein aufgebrochen«, erwiderte Loewenfeld mit blassem Gesicht. »Sie wollen Ludwig dort das Gutachten präsentieren und ihn dann absetzen. Schon morgen wird Prinz Luitpold die Regentschaft in München übernehmen.«
    Ich biss die Lippen aufeinander. Die Situation schien wirklich aussichtslos. Dennoch hakte ich nach. »Weiß Bismarck davon? Wenn der preußische Kanzler vielleicht ein Machtwort …«
    »Himmelherrgott! Sie wissen doch am besten von uns, dass Bismarck diese Aktion billigt!«, unterbrach mich Richard Hornig. Seine Augen glühten vor Zorn. »Offenbar hat sich sein Agent Carl von Strelitz noch ein paarmal mit Lutz getroffen. Das alles ist ein abgekartetes Spiel!«
    Carl von Strelitz.
    Als Hornig den Namen des preußischen Agenten erwähnte, schloss ich kurz die Augen. Noch immer quälten mich gelegentlich Alpträume, in denen Strelitz mich mit seinem Stockrapier angriff und mitten in der Brust traf. Im Gegensatz zu meinem Erlebnis in Herrenchiemsee sprudelte in meinem Traum fontänengleich helles Blut aus der Wunde, und ich wachte jedes Mal schreiend auf. Bis dato hatte ich nicht herausfinden können, warum der Agent Bismarcks damals, Ende September, auf der Insel gewesen war. Geschweige denn, warum Maria kurz vor seinem Erscheinen jene merkwürdigen Worte gemurmelt hatte.
    Er bringt mich um.
    Ich sollte es schon bald erfahren.
    »Wir müssen den König warnen!«, rief ich nun in die Runde am Tisch. »Lassen Sie uns nach Füssen telegrafieren, gleich hier von Starnberg aus!«
    »Ach, glauben Sie, daran hätten wir nicht gedacht?«, blaffte der Maler Kaulbach. Er hatte sich mittlerweile eine neue Zigarette angesteckt, nervös zog er an der langen Elfenbeinspitze. »Wir müssen davon ausgehen, dass das Schwarze Kabinett auch die Füssener Telegraphenstation besetzt hält. Wenn die Hunde die Botschaft abfangen, ist alles verloren!«
    Loewenfeld pflichtete ihm nickend bei. »Wenn ich Lutz wäre, würde ich das Schloss unter Beobachtung stellen, die Telegraphenstation mit eigenen Leuten ausstatten und dafür sorgen, dass der König in Sicherheit gewiegt wird. Der Minister mag ein Verräter sein, aber er ist kein Narr.«
    Ich schwieg einen Moment lang, während der Rauch aus den Zigarren und Zigaretten der Männer wie eine dunkle Gewitterwolke über unseren Köpfen schwebte.
    »Dann müssen wir den König eben anders warnen«, sagte ich schließlich mit fester Stimme. »Hornig, haben Sie Pferde hier?«
    Der Stallmeister zog die rechte Augenbraue nach oben. »Sie wollen einen berittenen Boten

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