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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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eine andere Welt gleiten. Zunächst dachte ich, er sei nur anders als wir gewöhnlichen Sterblichen, aber in letzter Zeit …« Sie brach ab und sah mich traurig an. »Sag mir, Theodor: Damals vor der Venusgrotte im Herbst, da hast du davon gesprochen, dass seine Feinde ihn ins Irrenhaus stecken wollen. Stimmt das? Wollen die Minister den König für verrückt erklären lassen? Und was geschieht dann mit ihm?«
    »Ich … kann dir nichts Genaueres sagen«, murmelte ich. »Ich darf es nicht, um dich nicht in Gefahr zu bringen. Aber noch ist Hoffnung.« Ich fasste sie an den Händen. »Wenn Ludwig doch nur nach München gehen, wenn er auf ein paar seiner Marotten verzichten würde! Kannst du nicht mit ihm sprechen? Auf dich scheint er wenigstens noch zu hören.«
    Maria schüttelte müde den Kopf. »Ludwig lebt in seinem eigenen Land, wie der Kaiser Barbarossa tief im Berg Kyffhäuser unter Tonnen von Felsen. Nicht einmal ich erreich ihn noch.«

    Der lange Winter ging, und endlich kam der Frühling. Die Gerüchte über den vermeintlich verrückten König wurden lauter und lauter. Lutz und die übrigen Minister hatten alles darangesetzt, Seine Majestät in Verruf zu bringen. In der in- und ausländischen Presse mehrten sich die Artikel über Ludwigs Geisteszustand und seine immensen Schulden; selbst seine frühere Hörigkeit Richard WAGNER gegenüber wurde wieder zum Thema. In den Münchner Wirtshäusern sang man Schmählieder über den wirren ›Herrn Huber‹, und die Gendarmerie griff nicht ein.
    Aber auch der König tat das Seine, um dem Bild eines Wahnsinnigen zu entsprechen. Bei meinen wenigen offiziellen Besuchen wurde ich Zeuge seines immer zügigeren Verfalls. Die Zähne fielen ihm nun reihenweise aus, er stank aus dem Mund, verwahrloste, fraß Unmengen und beschimpfte lautstark Lakaien und Ministerialbeamte, die ihm nach wie vor das Geld für seine Schlösser verweigerten. Nachdem sich sein ehemaliger Stallmeister Richard Hornig geweigert hatte, für ihn Banken zu überfallen, schickte er nun Kuriere und Depeschen bis nach Konstantinopel, Teheran und Brasilien, er spielte mit dem Gedanken, auf eine Insel im Pazifik auszuwandern und dort weiterzubauen, er befahl Beamten, eine Geheimarmee für einen Staatsstreich aufzustellen, er schrie, tobte und zeterte wie ein kleines Kind, dem man sein Spielzeug verweigerte – doch was er auch anstellte, er bekam keinen Pfennig Geld mehr.
    Unser kleiner Kreis von Verschwörern sah diesem Treiben entsetzt und machtlos zu. Die Versuche Kaulbachs und Loewenfelds, Dr.   Gudden umzustimmen, waren im Sande verlaufen. Im Gegenteil – über Kontaktleute erfuhren wir, dass die Lakaien am Hof weiter eifrig kompromittierende Notizen des Königs aus den Papierkörben und sogar aus der Toilette fischten. Außerdem hatte sich Prinz Luitpold offenbar bereiterklärt, die Regentschaft zu übernehmen. Es war fünf vor zwölf, und die Uhr tickte unaufhörlich weiter.
    Schließlich platzte die Bombe.
    Am späten Nachmittag des 9. Juni 1886 erreichte mich ein Schreiben Dr.   Loewenfelds, in dem er mich inständig bat, sofort zum Starnberger See zu reisen. Richard Hornig hatte dort in Allmannshausen eine Villa, in der wir wenigen noch verbliebenen Freunde des Königs uns gelegentlich trafen und unser weiteres Vorgehen berieten. Aus Loewenfelds Brief ging hervor, dass es sich um eine Sache von äußerster Wichtigkeit handeln musste; der Doktor sprach von Leben und Tod.
    Als ich gegen acht Uhr abends im strömenden Regen in Allmannshausen eintraf, saßen die anderen Verschwörer bereits ernst um einen Kartentisch im Rauchersalon. Im Zigarrendunst erkannte ich Dr.   Loewenfeld, dem der Kummer in den letzten Monaten tiefe Falten ins Gesicht gegraben hatte, außerdem den Maler Hermann Kaulbach und Stallmeister Richard Hornig. Nur Graf Dürckheim fehlte.
    »Wo ist der Graf?«, fragte ich verwirrt. »Hat er sich etwa verspätet?«
    Loewenfeld schüttelte traurig den Kopf. »Irgendwelche Schranzen haben ihn beurlaubt und auf sein Gut in Steingaden geschickt«, sagte er mit monotoner Stimme. »Weil sie wissen, dass er der treueste Freund des Königs ist. Wir haben versucht, ihn zu warnen, aber offenbar hat jemand den Boten abgefangen.«
    Ich ließ mich in einen der Polstersessel neben dem Kamin fallen. »Mein Gott, was ist passiert?«, murmelte ich. »Will Dr.   Gudden den König denn nun wirklich für verrückt erklären lassen?«
    »Er wird es heute tun«, erwiderte Kaulbach und schnippte seine

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