Die Ludwig-Verschwörung
wach und freundlich an. Er stieg die wenigen Stufen von der Bühne hinunter und klopfte mir so fest auf die Schulter, dass ich fast vornüberfiel.
»Es ist gut, Euch wieder bei mir zu haben, Theodor«, sagte er lächelnd. »Und jetzt zieht Euch etwas Trockenes an. Bevor ich meinen besten Ritter wegen einer lächerlichen Erkältung verliere.«
JT, W
Die nächsten Stunden vergingen in gespannter Erwartung. Die Burg war verriegelt, unten vor dem Hauptportal hatten einige der Füssener Gendarmen Stellung bezogen. Trotz des Regens und der frühen Morgenstunde war bereits etliches Volk zusammengelaufen, die von dem schmählichen Vorhaben der Münchner Beamten erfahren hatten.
Von einem der Turmfenster aus beobachtete ich, wie einige Bauern zusammenstanden und wild debattierten. Manche von ihnen hatten Sensen und Dreschflegel mitgebracht, Fackeln erhellten die düstere Szenerie. Trotz der bedrohlichen Stimmung musste ich unwillkürlich lächeln. Wieder einmal zeigte sich, dass Ludwig auf dem Land noch immer wie ein Heiliger verehrt wurde. Die Männer und Frauen dort unten würden sich eher in Stücke reißen lassen als zuzulassen, dass ihrem König auch nur ein Haar gekrümmt wurde.
Im ersten Licht der Morgendämmerung rückten schließlich die Verräter an.
Es war ein seltsames Bild, das sich mir von meinem Fensterplatz aus offenbarte. In mit Dreck und Matsch bespritzten Kutschen näherten sich Graf von Holnstein, Außenminister Crailsheim und einige weitere Beamte. Als sie ausstiegen, erkannte ich im aufsteigenden Nebel, dass die adligen Herrschaften goldbestickte Galauniformen und altertümliche Dreispitze auf ihren Köpfen trugen. Dr. von Gudden, ein weiterer Arzt und die vier Irrenwärter erschienen in schlichtem Schwarz, was sie wie hungrige Raben wirken ließ. Als sie merkten, dass die Gendarmen und Bauern einen bedrohlichen Kreis um sie gebildet hatten, blickten sie sich ängstlich um. Nur Graf Holnstein blieb gelassen.
»Wir sind hier, um den König zu arretieren und nach Linderhof zu bringen!«, rief er befehlsgewohnt in die Menge. »Zu seinem eigenen Schutz. Ludwig ist erwiesenermaßen verrückt! Statt seiner regiert seit heute Prinz Luitpold. Also macht endlich Platz und lasst uns in die Burg!«
Doch die Leute schoben sich vor dem Portal zusammen, von überall her war wütendes Gemurmel zu vernehmen, drohend wie ein zorniges Tier.
»Es ist eine Schande, was hier vor sich geht! Eine Schande!«, zeterte nun eine ältere vornehme Dame, die ein Ungetüm von Hut auf dem Kopf trug. Es schien sich um eine Landadlige aus der Gegend zu handeln. »Ihr lasst euch von den Herren Ministern vor den Karren spannen!«, keifte sie und deutete auf die zögernden Beamten. »Eure Kinder werden sich später schämen, wenn sie von eurem Hochverrat erfahren!« Bedrohlich schwang sie ihren Regenschirm, während ihr kleiner Pudel wild zu kläffen anfing. Aus der Menge waren Hoch-Rufe auf den König zu hören.
Graf Holnstein blickte sich hilfesuchend um, er spürte, dass die Sache außer Kontrolle geriet. Nervös wischte er sich Schweiß und Regen von der Stirn, packte einen der zögernden Irrenwärter und trat mit ihm auf die Gendarmen zu, die vor dem Burgtor eine Menschenkette gebildet hatten.
»Im Namen des rechtmäßigen bayerischen Herrschers Prinz Luitpold, öffnet endlich dieses Tor!«, brüllte er. »Oder ich werde euch alle …«
In diesem Augenblick traf ein Gewehrkolben den vordersten Irrenwärter, ein Fläschchen fiel von seiner Hand zu Boden und zersprang mit einem leisen Klirren. Nach einer Schrecksekunde ertönte wieder wildes Geschrei.
»Das riecht nach Chloroform! Die Hunde wollen uns einschläfern! Packt sie euch!«
Nur mit Mühe gelang es Graf Holnstein, Dr. Gudden und den anderen, wieder zu den Kutschen zu gelangen. Die Bauern schienen nun kurz davor, einige der führenden Männer des Landes in die Pöllatschlucht zu werfen. Mittlerweile waren sogar die Feuerwehrleute dem König zu Hilfe geeilt. Die Verschläge der Droschken klappten lautstark zu, dann knallten die Kutscher mit den Peitschen, und unter wüsten Schmährufen flohen die Beamten zurück nach Hohenschwangau. Als sie hinter der nächsten Kurve im Nebel verschwunden waren, ertönte lautes Jubelgeschrei. Die Feinde waren in die Flucht geschlagen.
Als ich in den Burghof zurückkam, sah ich, wie der Lakai Weber, einer der letzten Getreuen des Königs, mit ein paar der Gendarmen sprach. Er schien sehr aufgeregt.
»Was ist los?«, fragte
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