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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Treppe stehen. »Merkwürdig«, murmelte er. »Von so einem Brief ist in der wissenschaftlichen Literatur nichts überliefert. Weiß man denn, was drinsteht?«
    »Leider nein«, erwiderte Steven seufzend. »Aber vielleicht taucht der Brief ja noch mal im Tagebuch auf.«
    »Mag sein. Sie müssen mir unbedingt davon erzählen. Es ist wichtig, verstehen Sie? Sehr wichtig.«
    Steven musterte den Alten, der sich nun nachdenklich mit der Hand über den Mund fuhr. Es kam ihm vor, als ob Zöller ihm irgendetwas verheimlichte. Offenbar hatte Sara doch recht mit ihren Vermutungen hinsichtlich der Anrufe. Aber warum in aller Welt hatte Onkel Lu eine Garmischer Detektei kontaktiert? Und was war so wichtig an diesem letzten Brief des Königs?
    Plötzlich veränderte sich Zöllers Gesicht. Er grinste und klopfte auf eine prall gefüllte Einkaufstüte, die er hinter seinem Rücken hervorgezogen hatte. »Schwamm drüber«, brummte er fröhlich. »Ich hab zwanzig Pfund Bücher hier drin, die uns vielleicht weiterhelfen können. Wissenschaftliche Literatur, Bildbände, eine Balladensammlung … Sogar das Libretto von Tannhäuser und Lohengrin ist dabei.«
    »Hauptsache, Sie singen nicht daraus vor.« Es war die Stimme von Sara, die unten an der Treppe stand und ungeduldig in die Hände klatschte. »Beeilung, die Herren! Sonst kommen wir noch zu spät zu Stevens Schäferstündchen.«
    Draußen war es bereits dunkel. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, der ihnen ins Gesicht wehte, während sie die breite Straße zum Schloss hinaufgingen. Auf seine alberne Verkleidung mit Trachtenhut und bayerischem T-Shirt hatte Steven verzichtet, es war ohnehin zu dunkel, als dass ihn jemand hätte erkennen können. Jetzt in der Nacht lag der Weg menschenleer vor ihnen, ein schwarzes Band im Wald, das sich schon nach wenigen Metern in der Dunkelheit verlor. Vom hektischen Betrieb tagsüber zeugten nur noch die dampfenden Haufen zerdrückter Pferdeäpfel, die zerknitterten Billetts und die Eistüten am Wegesrand. Steven musste daran denken, dass vor 125 Jahren Theodor Marot durch eben diesen nächtlichen Wald zu seinem seelisch kranken König geeilt war. Manche der Bäume um sie herum mochten noch aus dieser Zeit stammen.
    »Im Grunde kann Neuschwanstein froh sein, dass sich so eine renommierte Firma wie Manstein Systems um die Modernisierung kümmert«, sagte Sara, während sie zügig durch den Wald voranschritten. »Wenn man bedenkt, dass hier jedes Jahr über eine Million Besucher aus aller Welt aufschlagen, könnte der Ort schon ein bisschen mehr Noblesse vertragen.«
    »Wenn ich diese Frau Manstein richtig verstanden habe, kümmert die Firma sich eher um den Sicherheitsaspekt«, erwiderte Steven. Ihn fröstelte, und er knöpfte seine Jacke zu. »Seitdem die Frau von möglichen Terroristen gesprochen hat, hab ich ein richtig mulmiges Gefühl. Ich meine, das Münchner Oktoberfest haben sie doch auch total abgesichert. Und hier? In die Schlosstürme kannst du genauso reinfliegen wie ins World Trade Center.«
    »Nun malen Sie mal nicht den Teufel an die Wand«, keuchte Albert Zöller. »Außerdem wär ich Ihnen zu Dank verbunden, wenn wir ein bisschen langsamer gehen könnten. Sonst verlieren Sie Ihren Ludwig-Experten ganz ohne Attentat.«
    Als sie um die nächste Kurve kamen, blieben sie alle drei einen Moment lang andächtig stehen.
    Vor ihnen ragte das Schloss auf, das im Licht unzähliger Scheinwerfer in einer beinahe überirdischen Pracht erstrahlte. Jetzt in der Nacht sah Neuschwanstein noch mehr wie eine Gralsburg aus als tagsüber. Zinnen und Türme leuchteten fast blendend weiß und hoben sich ab von dem schwarzen Wald ringsumher. Irgendwo krächzte ein Käuzchen, und vor der hellen Sichel des Mondes flatterte ein großer Raubvogel, der gleich darauf jenseits der Burg im Wald verschwand. Unwillkürlich musste Steven schmunzeln. Ludwig II. und auch Richard Wagner wären mit dieser Inszenierung durchaus einverstanden gewesen.
    Er wandte den Blick ab und wollte bereits die Auffahrt zum Torhaus hochgehen, als rechts unterhalb des sogenannten Ritterbaus zwei weitere Lichter aufflammten. Es waren die Scheinwerfer eines Autos.
    »Sieht so aus, als würde la Baronesse schon auf dich warten«, murmelte Sara und ging auf den Maserati zu, wobei sie so tat, als würde sie linkisch über das nasse Kopfsteinpflaster stöckeln. »Na, dann bin ich halt wieder die quietschdumme Peggy aus Massachussets.«
    Die Lichter erloschen, und Luise Manstein stieg

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