Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
sagte Onkel Lu unvermittelt und blätterte in einem Büchlein über Sagen des Mittelalters. Sein Blick fiel prüfend auf die Gemälde und Möbelstücke. »Der Waschtisch hat fließend Wasser und die Toilette eine automatische Spülung«, dozierte er. »Ludwig hat stets die neueste Technik verwendet. Trotzdem war die Einrichtung so grotesk märchenhaft, dass Prinzregent Luitpold schon wenige Wochen nach Ludwigs Tod das Schloss für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, um den Wahnsinn des Königs zu beweisen. Dieses Bett zum Beispiel …«
    Ganz plötzlich stutzte Zöller. Er rückte seine Lesebrille zurecht und inspizierte die aufwendigen Schnitzereien des Baldachins, so als suchte er etwas Bestimmtes.
    »Ist was?«, fragte Sara neugierig. »Haben Sie etwas entdeckt?«
    »Nein«, murmelte der Alte und schüttelte den Kopf wie nach einem bösen Traum. »Ich muss mich wohl täuschen. Alles andere wäre …«
    Er gluckste wie bei einem schlechten Witz. Dann zuckte er die Achseln und deutete auf ein Wandgemälde zur Linken, das ein Liebespaar unter einem breiten schattenspendenden Baum zeigte. »Die Dame im weißen Kleid dort ist ganz offensichtlich Isolde«, fuhr er fort. »Der Mann, der sie so schmachtend umarmt, muss dann Tristan sein. Aha, und da drüben reicht er ihr ja auch den vermaledeiten Liebestrank.«
    »Vielleicht wäre es hilfreich, wenn Sie uns die Handlung kurz zusammenfassen könnten«, murrte Sara. »Ich bin hier wohl die Einzige ohne Kenntnisse in der germanischen Sagenwelt.«
    Onkel Lu grinste. »Oh, Sie kennen die berühmteste Liebesgeschichte der Welt nicht? Also gut, hier die Kurzform, für die längere empfiehlt sich ein Ausflug nach Bayreuth.« Er räusperte sich. »König Riwalon entbrennt in Liebe zur schönen Blanchefleur, doch ihre Beziehung muss geheim bleiben. Just als sie schwanger ist, wird Riwalon vom bösen König Morgan erschlagen. Blanchefleur stirbt vor lauter Liebeskummer, und ihr Kind wächst auf, ohne seine wahren Eltern zu kennen. Dieses Kind heißt Tristan.«
    »Und was ist mit Isolde?«, warf Sara ein.
    »Nur nicht so ungeduldig!« Onkel Lu hob beruhigend die Hände. »Viel später soll Tristan für König Marke aus Cornwall die irische Prinzessin Isolde freien. Auf der Überfahrt nach Britannien trinken die beiden versehentlich den Liebestrank, der eigentlich für Marke und Isolde bestimmt war. Tja, und dann nimmt das Schicksal seinen Lauf.«
    Zöller deutete auf ein Wandgemälde, auf dem Isolde am Bett eines offensichtlich todkranken Tristan trauerte. »Tristan liebt eine Frau, die einem anderen versprochen ist. Ein, soviel ich weiß, bis heute beliebtes Motiv in schwülstigen Liebesromanen und Seifenopern. Zwar heiratet der schöne Jüngling eine andere, die passenderweise auch Isolde heißt, doch auch das kann seine Liebe zur einzig wahren Isolde nicht auslöschen. Am Ende sterben beide nach ein paar unglaublichen Verstrickungen, die heutzutage kein Fernsehproduzent mehr durchgehen lassen würde. Ende der Geschichte.«
    Sara klatschte verhalten Beifall. »Danke für den Nachhilfeunterricht, Herr Zöller. Auch wenn mir immer noch keine Idee für unser Lösungswort kommt. Stattdessen raucht mir der Kopf vor lauter Namen.« Sie zählte seufzend auf. »König Riwalon, Blanchefleur, Morgan, Marke, eine zweite Isolde …«
    »Den Großteil der Namen hab ich bereits weggelassen«, sagte Onkel Lu grinsend. »Sonst wird’s zu einer abendfüllenden Veranstaltung.«
    Plötzlich machte etwas klick in Stevens Kopf. Es war, als wäre ein lange gesuchtes Puzzlestück endlich an die richtige Stelle gerückt.
    War das möglich?
    »Moment mal!«, warf Steven ein. »Wie heißt die Mutter von Tristan noch mal?«
    Albert Zöller sah ihn verwundert an. »Blanchefleur. Warum fragen Sie?«
    »Blanchefleur …« Der Antiquar runzelte die Stirn, sein Blick glitt über die Frau im weißen Kleid auf dem Gemälde. »Vielleicht ist es ja nur ein Zufall, aber wenn mich mein Französisch nicht im Stich lässt, dann heißt Blanchefleur …«
    Eine kurze Stille trat ein, in der nur das leise Rauschen der Klimanlage zu hören war.
    »Weiße Blume!« Sara stöhnte. »Weiß wie die Lilien für Maria! Glaubst du tatsächlich, dass ›Blanchefleur‹ das Lösungswort ist? Das sind verdammt viele Buchstaben.«
    Steven begann eifrig zu nicken, seine Stimme überschlug sich nun fast. »Warum nicht?« Er hielt drei Finger in die Höhe. »Das erste Lösungswort war ›Maria‹, das zweite war ›Lilie‹.

Weitere Kostenlose Bücher