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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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draußen, wo wir Zeugen eines düsteren Schauspiels wurden. Die Fangkommission war mit vier überdachten schwarzen Droschken unterwegs, finster dreinblickende Kutscher beobachteten von ihren erhöhten Sitzen aus die tuschelnde Menge. Ein paar der Pfleger vertraten sich die Beine. Von Dr.   von Gudden selbst war nichts zu sehen, vermutlich wartete er mit seinem Assistenten in einem der Wagen, wo sie beide vor dem Regen geschützt waren.
    Aus der neugierigen Menge heraus versuchte ich zu erkennen, welches der Gefährte die Kutsche des Königs war. Endlich sah ich für einen Augenblick sein blasses aufgedunsenes Gesicht im Fenster des vordersten Verschlags. Auch einige andere Zuschauer schienen Ludwig erkannt zu haben, verhaltene Hoch-Rufe waren zu hören, doch es herrschte eine Aura der Angst. Die Leute spürten, dass ihr König ein Gefangener war. Eine Frau, offensichtlich die Wirtin der Gaststube, trat unter etlichen Verbeugungen hervor und reichte dem König ein Glas Wasser, das er dankbar austrank.
    Während die Menschen sich gaffend, wenngleich mit einer gewissen Vorsicht, der königlichen Kutsche näherten, fasste ich mir ein Herz und humpelte auf das Verschlagfenster zu, aus dem der König müde winkend die Menge grüßte.
    »Euer Majestät!«, flüsterte ich, nachdem ich mich ein letztes Mal nach den Pflegern umgesehen hatte. »Ich bin es, Theodor!«
    Der König sah mich verwundert an. Erst als ich die Augenklappe abnahm, huschte ein Ausdruck des Erkennens über sein Gesicht.
    »Marot«, murmelte er. »Wollen Sie Abschied von mir nehmen? Die Bande will mich in Berg einsperren. Sie werden mich behandeln wie einen Irren, wie meinen Bruder Otto.« Er lächelte leise. »Aber ich werde wie ein Schwan davonfliegen. Dorthin, wo mir keiner folgen kann.«
    »Mein König, alles wird gut.« Meine Stimme war leise, fast nicht hörbar. Trotzdem hatte ich Angst, dass uns die Pfleger oder der Kutscher belauschen konnten. »Hornig und die anderen bereiten bereits Eure Flucht vor. Es stehen Boote bereit!«
    »Wirklich?« Ludwig schloss kurz die Augen und atmete tief durch. »Dann ist vielleicht doch nicht alles verloren.«
    Ich blickte mich ängstlich um. Einer der Pfleger sah bereits zu mir herüber, er flüsterte seinem Kollegen etwas zu und deutete auf mich.
    »Ich muss jetzt gehen«, flüsterte ich. »Man wird Euch in Berg eine Nachricht zukommen lassen, wann der Zeitpunkt der Flucht gekommen ist. Bis dahin …«
    »Wartet noch eine Sekunde«, unterbrach mich der König. »Ich habe ein Geschenk für Euch.«
    Er griff unter den Sitz, und ich konnte erkennen, dass feste Lederriemen an der Bank angebracht waren, die inneren Türklinken hatte man abgeschraubt. Ludwig reichte mir ein kleines Büchlein.
    »Das hier sind Gedichte und Balladen«, sagte er in einem sehnsuchtsvollen Ton. »Goethe, Schiller, Heine … Sie spielen in einer Welt, die weit mehr die meine ist als dieses Gefängnis, das man Wirklichkeit nennt.«
    »Mein … mein König«, stammelte ich und verbarg das Buch unter meinem Überzieher. »Ich danke Euch. Aber nun muss ich wirklich …«
    »Manche Gedichte sind mir sehr ans Herz gewachsen«, fuhr er gedankenverloren fort. »Gelegentlich sind es nur Zeilen oder einzelne Wörter. Aber sie haben eine große Bedeutung für mich. Lebt wohl.«
    Er reichte mir die Hand zum Abschied. Ich wollte mich bereits abwenden, doch er hielt meine Hand so fest, dass ich nicht von ihm loskam.
    »Eines noch, Theodor«, murmelte er. »Wegen Maria habe ich Euch verziehen. Zwischen mir und diesem Mädchen ist etwas gewachsen, das stärker ist als Hass und Eifersucht. Versprecht mir, dass Ihr Euch um sie kümmern werdet, wenn ich nicht mehr bin. Um sie und den Kleinen.«
    Ein Schaudern fuhr durch meinen Körper, es fiel mir schwer, die Tränen zurückzuhalten.
    »Das … das verspreche ich Euch«, sagte ich leise.
    »Dann geht jetzt mit Gott.«
    Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Sie riss mich herum, und ich sah in das zornige Gesicht eines der Pfleger. Es war einer der Männer, die bereits bei der ersten Fangkommission dabei gewesen waren und die der König hatte einsperren lassen.
    »He, was hast du da so lange zu schaffen?«, knurrte er. »Das ist nicht mehr dein König. Das ist ein Irrer, der in Behandlung gehört.« Er lachte hämisch. »Sei froh, dass er dir noch nicht die Augen ausgestochen hat. Das wollte er schon mit ganz anderen Leuten tun!«
    Ich setzte ein dümmliches Grinsen auf und betete zu Gott,

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