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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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festknotete. Ich zog prüfend daran, dann atmete ich noch einmal tief durch und schwang mich geräuschlos in die Tiefe. Mein Herz raste, ich wagte nicht nach unten zu sehen. Vorsichtig kletterte ich an einigen steinernen Fratzen unterhalb des Balkons vorbei, bis ich nach einer gefühlten Ewigkeit Boden unter meinen Füßen spürte.
    Über einen schmalen Steig lief ich hinunter zur Pöllatschlucht. Der Weg führte vorbei an dem reißenden Pöllatbach, schlängelte sich an Wasserfällen, Findlingen und hoch aufragenden Felswänden entlang und endete schließlich in einem waldigen Tal unweit des Ortes.
    Endlich hatte ich Hohenschwangau erreicht, wo im Stall noch immer eines meiner Pferde stand. Der Kutscher Osterholzer hatte es offenbar gut versorgt, es wieherte freudig, als es mich erkannte. Ich öffnete den Verschlag, führte es hinaus in die Nacht und ritt hinein in die Dunkelheit.
    Just, als ich den verschlafenen Ort hinter mir ließ, setzte wieder der Regen ein.
    Es regnete ohne Unterlass, ein dünner nasser Schleier, der mich die nächsten Stunden begleitete und meine Kleidung schwer wie Blei werden ließ. Ich hatte nur noch dieses eine Pferd, also musste ich langsamer reiten, um es nicht zu verlieren. Als wir uns dem Starnberger See näherten, der im Regendunst fast nicht zu erkennen war, wurde der Trab meines treuen Rappen unruhig, und ich begriff, dass er offenbar eines seiner Hufeisen verloren hatte. Er scherte nach links und rechts aus, schüttelte widerwillig mit dem Kopf, und ich musste ihm die Hacken in die Seite treiben, um ihn zum Weiterlaufen zu zwingen.
    Im Morgengrauen erreichte ich endlich das Gut des königlichen Stallmeisters Richard Hornig in Allmannshausen. Als mein Pferd seinen alten Stall erkannte, setzte es noch einmal zu einem letzten Galopp an und stoppte so jäh vor der Schuppentür, dass ich, erschöpft wie ich war, vornüberfiel. Mit letzter Kraft rappelte ich mich auf und lief auf das Landhaus zu, wo trotz der frühen Morgenstunden bereits Licht brannte. Wie rasend klopfte ich an die Tür, bis mir schließlich ein unrasierter, übelgelaunter Richard Hornig öffnete. Als er mich erkannte, wich sein Ärger einem Ausdruck des Erstaunens.
    »Mein Gott, Theodor! Was machen Sie denn hier?«, zischte er. »Graf Dürckheim hat uns eine Depesche geschickt, dass der König nach Linderhof gebracht wird. Wir dachten, dass Sie bei Ludwig …«
    »Der König geht nicht nach Linderhof«, unterbrach ich ihn ächzend. »Er wird nach Berg expediert! Sie sind bereits auf dem Weg hierher. Wir müssen die Flucht von dort aus in die Wege leiten!«
    »Nach Berg hier am Starnberger See?« Hornig sah mich verdutzt an. »Nun, das ändert natürlich einiges. Aber das muss nicht das Schlechteste sein, ich habe viele Freunde hier in der Gegend.« Erst jetzt bemerkte er offenbar mein jämmerliches Äußeres und klopfte mir mitfühlend auf die Schulter. »Aber was red ich! Nun kommen Sie erst mal rein und wärmen Sie sich auf.«
    Als ich das Kaminzimmer betrat, sah ich, dass wir beileibe nicht die Einzigen waren. Außer Hornig und seinem Bruder hielten sich in dem großen rauchgeschwängerten Raum noch Dr.   Schleiß von Loewenfeld, der Maler Kaulbach und ein gutes Dutzend weiterer Personen auf, von denen einige ganz offensichtlich äußerst einfache, derbe Gesellen waren. Allerdings erkannte ich auch den Grafen Rambaldi aus Allmannshausen und den Baron Eugen von Beck-Peccoz aus Eurasburg. Alles in allem eine bunte Mischung verwegener Männer, die mich nun misstrauisch anstarrten und in ihren Gesprächen abrupt verstummten.
    »Keine Sorge, meine Herren«, sagte Hornig beschwichtigend in die Runde. »Das hier ist Theodor Marot, ein guter Freund des Königs. Er hat wichtige Neuigkeiten.« Er wandte sich an mich und half mir aus dem nassen Überzieher. »Erzählen Sie, Theodor.«
    In kurzen hastigen Worten fasste ich zusammen, was sich in Neuschwanstein die letzten zwei Tage ereignet hatte. Daraufhin legte sich betretenes Schweigen über den Raum. Es herrschte eine stickige Schwüle, die mich, in Verbindung mit dem Rauch der vielen Pfeifen und Zigarren, schwindlig werden ließ.
    »Lieber Marot«, meldete sich endlich Dr.   Loewenfeld. »Wir alle müssen Ihnen dankbar sein. Wie Sie sehen, haben sich hier die letzten Getreuen versammelt, um dem König zur Seite zu stehen. Doch bislang sind wir von einer Befreiung in Linderhof ausgegangen. Ihre Nachricht ändert alles, aber sie ist beileibe keine schlechte

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