Die Ludwig-Verschwörung
Nachricht.«
»Im Gegenteil«, warf Hornig ein und zündete seine Pfeife mit einem Kienspan aus dem Kamin an. »Hier am Starnberger See kenn ich mich aus wie in meiner Westentasche, ich habe Kontakte. Und diese Männer hier …« Er wies auf die grimmige Runde. »Sie werden alles tun, um ihren König zu befreien.«
»Gesetzt den Fall, er lässt sich befreien«, knurrte der Maler Kaulbach. »So wie ich Sie verstanden habe, Theodor, ist er gar nicht so erpicht darauf. Offenbar bevorzugen Seine Majestät eher Zyankali.«
»Am Ende habe ich ihn wieder sehr entschlossen erlebt«, erwiderte ich und wärmte meinen Rücken an dem knisternden Kamin. »Ich glaube, wenn Ludwig merkt, dass seine Flucht von Erfolg gekrönt sein wird, wird er sich nicht verweigern. Doch solange ihm ein Schicksal wie das seines verrückten Bruders Otto vorschwebt, ist ihm der Tod der einzige Ausweg.«
Dr. Schleiß von Loewenfeld schlug entschlossen mit seinem Gehstock auf das Parkett. »Dann müssen wir schnell handeln! Sobald der König befreit ist, muss er nach Tirol reisen und von dort aus seine Regentschaft zurückerobern. Wir werden ein Gegengutachten erstellen, das Guddens Attest als windiges Pamphlet entlarvt. Dann können wir Holnstein, Lutz und die anderen Minister wegen Hochverrat anklagen lassen.« Er schüttelte zornig den Kopf. »Ein Gutachten, ohne mit dem Patienten ein einziges Mal gesprochen zu haben! Das zerreißt ihnen jeder Bezirksirrenarzt in der Luft. Das Ganze ist nichts weiter als ein schlecht geplanter Staatsstreich!«
Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Einige der einfachen Leute ließen Hochrufe auf den König ertönen und erhoben ihre Gläser.
»Wann, glauben Sie, wird der König in Berg ankommen?«, fragte Richard Hornig schließlich.
Ich zuckte mit den Schultern. »Gudden sprach davon, dass die Kutschen um vier Uhr früh bereitstünden. Es kann also nicht mehr lange dauern.«
»Dann ist Eile geboten.« Hornig zog eine Kladde hervor und machte sich ein paar Notizen. »Die Schurken werden vermutlich in Seeshaupt eine Rast einlegen, allein um in der Poststation die Pferde zu wechseln. Wir werden also versuchen, Ludwig dort eine Nachricht zukommen zu lassen. Ich schlage vor, dass wir zur Sicherheit mehrere Rettungskommandos bilden, die, wenn Seine Majestät sich zur Flucht entschließt, an unterschiedlichen Orten am Starnberger See auf den König warten.«
»Sollten wir nicht seiner Cousine Sisi Bescheid geben?«, fragte ich zögerlich. »Schließlich wohnt sie drüben auf der Roseninsel und ist ihm freundschaftlich verbunden.«
Der Maler Kaulbach schüttelte heftig den Kopf. »Das halte ich für zu gefährlich. Die österreichische Kaiserin stammt immerhin aus dem Hause Wittelsbach. Wer weiß, vielleicht hat Prinz Luitpold schon Kontakt zu ihr aufgenommen.« Er knöpfte sein weißes Leinensakko zu und strich es mit hektischen Bewegungen glatt. »Je weniger Menschen von dieser Aktion wissen, umso besser.«
»Gut, dann ist es also beschlossen.« Dr. Schleiß von Loewenfeld erhob sich schwerfällig von seinem Lehnstuhl. »Wer benachrichtigt den König, wenn er in Seeshaupt eintrifft?«
»Das werde ich tun«, meldete ich mich. »Mir vertraut er.«
Kaulbach runzelte die Stirn. »Aber Gudden und Holnstein werden Sie erkennen.«
»Das lassen Sie nur meine Sorge sein.« Ich zog meinen nassen Hut wieder auf und schlüpfte in den vor Feuchtigkeit dampfenden Überzieher. »Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich für jemand anderen ausgegeben habe. Und wenn es weiter so regnet, erkennt mich in diesem Aufzug nicht mal meine eigene Mutter.«
Der Tross erreichte das Dorf Seeshaupt kurz nach elf Uhr vormittags.
Noch immer schüttete es in Strömen, es war, als weinte der Himmel über das Schicksal König Ludwigs. Nach einem viel zu kurzen Schlaf und einem spärlichen Frühstück im Landhaus der Hornig-Brüder brach ich mit einem frischen Pferd zu der Poststation am Südende des Sees auf. Zusätzlich zu dem Überzieher und dem Hut hatte ich mir eine Augenklappe umgebunden und einen Krückstock mitgenommen, so dass ich nun wie ein räudiger versoffener Veteran aus dem Frankreichfeldzug anno siebzig aussah. Ich schlug einige Stunden im Wirtshaus der Poststation tot, trank ein paar Gläser Bier und übte mich in meiner neuen Rolle, indem ich einige Male durch die Gaststube humpelte und wie ein Soldat lautstark fluchte.
Als ich schließlich das Wiehern vieler Pferde hörte, eilte ich mit einigen anderen Gästen nach
Weitere Kostenlose Bücher