Die Ludwig-Verschwörung
jemand anders. Aber vielleicht stimmt sie ja der Blick in die Tiefe ein wenig gesprächiger. Nun, Frau Lengfeld, wie sieht’s aus?«
»Sie werden mich ja ohnehin umbringen«, erwiderte Sara leise. »Warum also sollte ich Ihnen irgendetwas erzählen?«
Luise schüttelte missbilligend den Kopf. »Sie vergessen, dass es schnelle und auch langsamere Arten zu sterben gibt. Lancelot wird sich glücklich schätzen, die eine oder andere Art an Ihnen auszuprobieren. Also reden Sie schon!«
Saras Lippen blieben ein schmaler Strich, sie hielt die Arme vor der Brust verschränkt.
»Also gut.« Luise seufzte theatralisch. »Dann wird es halt lange dauern, sehr lange.«
Sie tippte Steven auf die Schulter. »Komm jetzt, liebster Vetter, Familienpflichten rufen. Du hast das Rätsel gelöst, und ich weiß, wo wir suchen müssen. Perfekte Arbeitsteilung, findest du nicht?« Luise wandte sich ab, und die drei Schläger schoben den zitternden Antiquar vor sich her, bis sie die Brücke wieder hinter sich gelassen hatten. Nur Sara und Lancelot blieben zurück.
In diesem Augenblick ertönte von Osten her das pulsierende Flattern von Rotorblättern. Ein Hubschrauber kam aus dem Tal und setzte zur Landung im Schlosshof an. Die Konzernchefin atmete tief durch.
»Vergessen wir die kleine Kröte«, sagte sie und zog Steven mit sich, das Kästchen mit dem Tagebuch hielt sie dabei fest umklammert. »Lancelot wird sich um sie kümmern. Unser Taxi wartet im oberen Hof. Es wird uns zum vierten Schloss bringen, zum Ende unserer Suche.«
Mit erhobener Waffe kam Lancelot derweil auf Sara zu. Kurz hob er die Augenklappe an, so dass sie dahinter die schwarze Augenhöhle sehen konnte.
»Hey Baby!«, rief er gegen den Hubschrauberlärm an. »Heute lernst du fliegen!«
40
L uise, ihre drei Paladine und der erschöpft taumelnde Steven eilten auf das Schloss zu, während der Hubschrauber mit infernalischem Lärm auf dem oberen Burghof aufsetzte. Geduckt näherten sie sich zu fünft dem tobenden Ungetüm, das wie ein betrunkener Drache einige Handbreit über dem Boden schaukelte.
Luise wies mit dem Derringer ins Innere. »Rein mit dir, Steven!«, schrie sie. Sie gab einem der bewaffneten Männer noch ein paar Anweisungen, dann stieg sie gemeinsam mit den beiden anderen und Steven in den Hubschrauber. Die Tür schloss sich, und sie hoben ab.
»Mordred wird sich mit ein paar der anderen Ritter um den Thronsaal und um Zöllers Leiche kümmern«, erklärte sie und starrte aus dem Fenster, wo das Schloss unter ihnen kleiner und kleiner wurde. »Wenn um zehn Uhr die ersten Touristen kommen, wird keiner mehr sehen können, was sich heute Nacht hier abgespielt hat. Tristan und Galahad hingegen …«, sie wies auf die beiden Schläger, die eingehüllt in ihre schwarzen Lederjacken rechts und links von Steven Platz genommen hatten und schweigend geradeaus starrten, »… werden uns auf dieser Queste begleiten. Sie sind nach Lancelot meine beiden besten Paladine und haben Anweisung, bei Fluchtgefahr sofort auf dich zu schießen. Glaub also nicht, dass du irgendwelche Mätzchen machen kannst.«
»Wohin fliegen wir?«, fragte Steven teilnahmslos und blickte nach vorne durch das Fenster des Cockpits, wo die Kette der Alpen im Nebel auftauchte. Zwischen den Wolken, die sich im Morgenlicht langsam auflösten, ragten schroffe Gipfel hervor. Noch immer war Steven wie gelähmt, sein Leben hatte sich in der letzten Stunde in einen Alptraum verwandelt, aus dem er nicht mehr aufzuwachen schien. Das verfluchte Buch hatte ihn in seinen Bann gezogen und am Ende in die Hölle geworfen.
»Wo wir hinfliegen?« Luise lachte. »Zum vierten Schloss natürlich! Du selbst warst doch so freundlich, das Versteck für mich herauszufinden. Erinnerst du dich nicht an die Lösung des Rätsels?« Sie sang Marots Satz wie eine fremdartige Melodie. »In dem vierten Schloss des Königs zeugt ein Spross vom liebsten seiner Schätze. Die Ironie dahinter ist wirklich zu köstlich!«
»Aber Ludwig hat doch nur drei Schlösser erbaut«, wandte Steven müde ein. »Von einem vierten war niemals die Rede.«
Die Konzernchefin grinste. »Du hast recht, Vetter, es wurden nur drei Schlösser erbaut. Geplant war jedoch noch ein viertes. Euer Experte Albert Zöller hätte es euch bestimmt verraten können. Ah, da ist es ja!«
Sie wischte die beschlagene Scheibe an ihrer Seite sauber, und Steven sah durch ein kleines Loch hinunter auf einen bewaldeten Berg, der den Alpen vorgelagert war. Sein
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