Die Ludwig-Verschwörung
gelesen?«
Sara versuchte sich auf Luise zu stürzen, doch Lancelot hielt sie mit seinen großen Pranken an der Schulter zurück.
»Wahnsinnige Natter!«, schrie Sara. »Damit wirst du nicht durchkommen! Man wird Fragen stellen, ich habe zu Hause eine Nachricht hinterlegt. Wenn mir etwas zustößt, dann …«
»Ach, Frau Lengfeld, hören Sie doch auf«, unterbrach sie Luise. »Finden Sie nicht, Sie haben schon genug gelogen? Der treudoofe Dackel an Ihrer Seite mag Ihnen ja jeden Mist abkaufen, aber bei mir beißen Sie sich die Zähne aus.«
»Gelogen? Wie … wie meinst du das?«, fragte Steven verwirrt.
»Wie ich das meine?« Luise Manstein zog die rechte Augenbraue nach oben. »Nun, lieber Vetter, wir haben nicht nur über dich Erkundigungen eingeholt, sondern natürlich auch über deine reizende Gefährtin hier. Und weißt du, was komisch ist?«
Sie machte eine kleine Pause und zwinkerte Steven zu. »Professor Liebermann hat gar keine Nichte.«
Steven blieb der Mund offen stehen, seine Beine drohten nachzugeben. Was für ein Spiel wurde hier gespielt?
»Sara …« Er sah hinüber zu der Kunstdetektivin, die merkwürdig stumm und mit schmalen Lippen am Brückengitter stand. »Ist das wahr?«
Sara hob an zu sprechen. »Steven, lass dir erklären …«
»Ob das wahr ist, möchte ich wissen!« Ohne es zu wollen, hatte Steven zu brüllen begonnen. Als Sara nur schweigend nickte, musste er sich kurz am Geländer festhalten.
»Es wird noch besser, Steven«, meldete sich Luise erneut. »Hat dir Sara eigentlich mal von ihrem lieben Papa erzählt? Nicht? Dann werde ich das jetzt tun.« Sie machte eine dramatische Pause, bevor sie genüsslich weitersprach. »Peter Lengfeld ist ein passionierter Kunstdieb, ein echter Museumsschreck mit der krankhaften Neigung, Kunstgegenstände zu klauen. Über ein Dutzend Einbrüche gehen auf sein Konto. Zurzeit sitzt er zum dritten Mal im Gefängnis und wartet dort auf seine Therapie. Wir haben nachgeforscht, Steven. Während du in Linderhof warst, hat Sara Lengfeld ihren Vater im Gefängnis München-Stadelheim besucht. Frag sie doch mal, was sie da gemacht hat. Na?«
Noch immer schwieg Sara. Sie schloss die Augen und atmete tief und schwer. Doch Luise Manstein ließ nicht locker.
»Diese Frau ist eine Lügnerin, Steven!«, hakte sie nach. »Eine Lügnerin und eine Verbrecherin! Ich habe im Polizeicomputer ihre Akte einsehen können. Sara Lengfeld ist vorbestraft wegen Einbruchs, sie hat ihrem Vater mehr als einmal bei seinen Museumsdiebstählen geholfen. Und sie ist nicht die Nichte von Professor Paul Liebermann.«
Steven spürte, wie ihm mit einem Mal warme Tränen übers Gesicht liefen. Das alles war zu viel für ihn. Wem sollte er jetzt noch glauben?
»Mein Gott, Sara, ich habe dir vertraut«, flüsterte er. »Ich hab dir alles von mir erzählt. Ich habe dich geliebt … Sag, dass das nicht wahr ist. Sag, dass du mich nicht von Anfang an belogen hast!«
»Steven, es ist anders, als du denkst!« Saras Stimme klang jetzt flehend. »Gut, das mit meinem Vater ist wahr, aber das ist lange her. Ich habe mich geändert! Außerdem geht es hier doch überhaupt nicht um ihn! Merkst du denn nicht, wie sie uns gegeneinander ausspielen will? Lass dir erklären …«
»Du hast mich belogen, Sara Lengfeld! Oder wie auch immer du heißt! Wem soll ich hier überhaupt noch trauen? Sag, wem?«
»Steven, glaub mir …«
Steven wandte sich abrupt von ihr ab und starrte hinunter in die Schlucht. Plötzlich fielen ihm all die kleinen Gelegenheiten ein, bei denen Sara ihn tiefer und tiefer in diese Sache hineingezogen hatte. Der Plan, die Rätsel zu lösen, stammte von ihr. Immer wieder hatte sie ihm davon abgeraten, zur Polizei zu gehen, hatte ihn in den schlimmsten Farben ausgemalt, was dann passieren würde, hatte ihn gedrängt, weiterzumachen. Auch ihre seltsame Kühle beim Anblick des Toten in seinem Antiquariat ergab jetzt einen Sinn. War diese Frau nichts weiter als eine eiskalte Verbrecherin? Hatte sie ihn nur gebraucht, weil er die Schrift Marots lesen konnte?
Hatte sie ihn … benutzt?
Kurz überkam ihn die Versuchung, einfach über die Brüstung zu steigen und sich fallen zu lassen. Unten aufzuschlagen, wo Dunkelheit und endloses Vergessen auf ihn warteten. Doch dann fiel ihm ein, dass das ohnehin bald andere für ihn erledigen würden.
»Leider hat uns Frau Lengfeld noch nicht verraten, für wen sie wirklich arbeitet«, sagte Luise jetzt. »Ob für ihren Vater oder für
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