Die Ludwig-Verschwörung
Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Manstein’schen Firmenvermögens ist in dieses Projekt geflossen.« Sie drehte sich mit dem Derringer in der Hand im Kreis, den Kopf zur Decke erhoben. »Unser Urururgroßvater hätte es genauso machen sollen! Dann wäre ihm erspart geblieben, dass die halbe Welt auf seinem Erbe herumtrampelt. Ludwig wollte seine Schlösser nur für sich. Ich erst habe diesen Traum verwirklicht!«
»Luise, Ludwig ist tot!«, entgegnete Steven müde. »Wenn etwas weiterlebt, dann doch nur seine Idee in den Köpfen der Menschen. Er ist einer der bekanntesten Figuren der Weltgeschichte! Meinst du, das wäre er geworden, wenn seine Schlösser geheim irgendwo im Untergrund stünden?«
Luise seufzte und dirigierte Steven mit der Waffe weiter den Gang entlang. »Du verstehst das nicht, Steven. Warum auch? Euer Zweig ist aus der Art geschlagen und muss abgeschnitten werden. Ich muss das leider so deutlich sagen.«
Mittlerweile hatten sie das Ende des Gangs erreicht. Vor Steven tat sich ein gewaltiger, fast fünfzehn Meter hoher Saal auf – die perfekte Kopie des Thronsaals in Neuschwanstein.
Vielmehr das Original, ging ihm durch den Kopf.
Er betrachtete das bunte Tiermosaik am Boden, die Gemälde an den Wänden, die blauen Säulen und den eine Tonne schweren Kronleuchter, der an Ketten von der Decke hing. Luises Schritte hallten hinter Steven, während sie in die Mitte des Saales marschierte. Noch einmal blickte die Konzernchefin sich nach allen Seiten hin um, in ihrem Gesicht stand eine Mischung aus Trauer und Ergebenheit. Dann legte sie betont sorgfältig den Nylonsack mit dem Kästchen auf dem Mosaik ab und zog Ludwigs eidesstattliche Erklärung aus ihrem Dekollete hervor.
»So lange habe ich danach gesucht«, murmelte sie, küsste den Brief und warf ihn schließlich achtlos von sich, so dass er wie ein müder Falter zu Boden segelte. »Vorbei.«
Es herrschte einen Moment lang Schweigen. Plötzlich veränderte sich Luises Gesichtsausdruck, ein irres Lächeln zuckte um ihre Lippen. Sie fischte einen kleinen schwarzen Apparat von der Größe eines Handys aus ihrer Hosentasche und begann auf einige Tasten zu drücken; er piepte und summte wie ein falsch programmierter Wecker.
»Natürlich habe ich mit einem solchen Angriff gerechnet«, fuhr sie fort. »Man muss immer mit allem rechnen, nicht wahr? So wie Ludwig. Es ist überliefert, dass er seine Schlösser lieber eigenhändig in die Luft sprengen wollte, als sie Unwürdigen zu überlassen. Und genau das werde ich jetzt tun.«
Stevens Atem stockte. »Du wirst was ?«
Mit leeren Augen sah Luise ihren Vetter an. »Ich habe in meinem schmucken kleinen Schloss einige Sprengsätze einbauen lassen, die ich jederzeit fernzünden kann. Man muss wissen, wann Schluss ist. Drei, zwei, eins …«
»Luise, nein!« Steven versuchte ihr den kleinen Apparat zu entreißen, doch es war zu spät. Sie hatte bereits den letzten Knopf gedrückt und warf das schwarze Kästchen im weiten Bogen von sich. Von irgendwoher hinter den Mauern ertönte ein gleichmäßiges Piepen, das sich im Sekundentakt wiederholte.
»Von jetzt an sind es noch fünf Minuten«, sagte Luise verträumt. »Die letzten fünf Minuten in meinem Palast. Komm schon, Vetter. Lass uns gemeinsam beten. Das ist das Ende unseres Geschlechts. Das Ende der Linie.«
Steven stand wie erstarrt neben ihr. Erst Sekunden später schien er wie aus einem bösen Alptraum aufzuwachen. »Wenn du glaubst, dass ich mit dir sterbe, dann hast du dich getäuscht!«, schrie er. »Du … du Hexe!«
Er wandte sich zum Ausgang, doch Luises schneidende Stimme ließ ihn innehalten.
»Du bleibst hier!«
Steven fuhr herum und blickte in den stählernen Lauf des Derringers.
»Was für eine Schande!«, knurrte Luise. »Wenn du so schon nicht gelebt hast, dann stirb wenigstens wie der Nachfahre eines Königs.«
»Niemals! Du kannst allein zur Hölle fahren!«
Ohne nachzudenken, warf sich Steven mit weit ausgebreiteten Armen Luise entgegen. Er hörte einen Knall und spürte, wie eine Kugel direkt an seinem Ohr vorbeizischte, dann war er über ihr. Er drückte ihren Körper mit seinem ganzen Gewicht zu Boden und versuchte Luises Hand mit dem Derringer zu ergreifen.
Es ist wie damals, dachte er. Wie damals in der brennenden Bibliothek. Der Kampf kommt erst jetzt zum Ende.
Doch die Konzernchefin war trotz ihrer grazilen Figur erstaunlich kräftig. Sie rammte ihm ihr Knie zwischen die Lenden, so dass Steven stöhnend zur
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