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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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das Buch zwar ins Internet gestellt«, erwiderte Steven zögernd. »Aber selbst noch keinen Blick hineingeworfen. Ich mag mich täuschen, aber …«
    Er ging hinüber zum Computer und tippte den Suchbegriff ›Pepys‹ ein. Es dauerte einige Zeit, schließlich fand Steven die passende Stelle. Sein Herz machte einen Sprung.
    »Tatsächlich. Sehen Sie selbst«, murmelte er.
    Sara Lengfeld sprang von der Couch auf und starrte mit dem Antiquar gemeinsam auf den Bildschirm. Im Monitor flackerte eine mysteriöse Schrift, die hauptsächlich aus Schnörkeln, Strichen und Punkten bestand. Nur vereinzelte englische Wörter stachen daraus hervor.

    Die Kunstdetektivin pfiff leise durch die Zähne. Es war die gleiche Schrift wie im Tagebuch des königlichen Assistenten.
    »Sheltons Kurzschrift aus dem 17.   Jahrhundert«, murmelte Steven. »Der englische Beamte Samuel Pepys hat sie damals in seinem Tagebuch verwendet, um seine zahlreichen Saitensprünge vor der liebreizenden Gattin zu verheimlichen. Erst zweihundert Jahre später wurde die Schrift entschlüsselt. Ihr Onkel hat wohl etwas geahnt und wollte seinen Verdacht bei mir überprüfen.« Er schüttelte den Kopf. »Wer vermutet schon, dass ein kleiner französischer Medizinalassistent sein Tagebuch in einer antiquierten Geheimschrift schreibt?«
    »Theodor Marot hat in Straßburg neben Medizin auch Geschichte studiert«, flüsterte Sara. »Offenbar mit summa cum laude. Bingo!« Sie klopfte Steven auf die Schulter. »Der Kandidat kommt in die nächste Runde. Was uns allerdings zu einem weiteren Problem führt: Wie sollen wir diese verfluchte Schrift nur entziffern?«
    Steven klickte mit der Maus zwei Seiten zurück. »Hier steht, dass Shelton 1635 ein Standardwerk über seine Kurzschrift verfasst hat. Es heißt ›Tachygraphy‹. Das ist altgriechisch, bedeutet ›Schnellschrift‹, und …«
    »Lieber Herr Antiquar, ich brauche keinen Kurs in Altgriechisch, sondern in Stenographie«, unterbrach ihn Sara ungeduldig. »Was ist mit diesem Standardwerk?«
    »Sie sollten mich ausreden lassen, liebe Frau Kunsthistorikerin«, bemerkte Steven grinsend. »Dann könnte ich Ihnen nämlich sagen, dass sich nicht nur die Pepys-Tagebücher, sondern seit kurzem auch eine spätere Ausgabe der ›Tachygraphy‹ in meinem Lager befindet. Ein verdammt seltenes Stück.« Er tippte sich an die Stirn. »Es geht eben nichts über eine gute Inventarliste im Kopf.«
    Nachdenklich zog Sara Lengfeld ihre dritte Mentholzigarette aus der zerknautschten Schachtel.
    »Kompliment, Herr Lukas«, erwiderte sie trocken. »Noch eine Runde weiter. Sie könnten es heute vielleicht zum Jeopardy-König schaffen. Dafür müssen wir allerdings gemeinsam eine weitere Aufgabe lösen.«
    »Und die wäre?«
    Saras Gesicht verschwand hinter Wolken weißen Mentholrauchs. »Wir müssen so schnell wie möglich in Ihr Lager, um dieses Buch zu holen. Und zwar bevor die Guglmänner auf die Idee kommen, dort noch einmal herumzustöbern.«

7
    A ls sie das Münchner Westend erreichten, war es weit nach Mitternacht. Die meisten der Szene-Kneipen, Sushi-Bars und Cafeterias hatten bereits geschlossen, auf den Straßen war nicht mehr allzu viel los. Nur ab und zu fuhr ein Wagen langsam an ihnen vorbei, auf der Suche nach einem der wenigen begehrten Parkplätze; ansonsten wirkte das Viertel verlassen. Von irgendwoher dudelte leise türkische Musik zu ihnen herüber. Hätten hinter einigen Fenstern nicht stroboskopenhaft Fernseher geflackert, man hätte meinen können, in einer ausgestorbenen Stadt zu sein.
    Steven hatte lange überlegt, ob er sich wirklich auf dieses Abenteuer einlassen sollte. Die Männer, die das verschlüsselte Tagebuch suchten, waren aller Wahrscheinlichkeit nach eiskalte Killer. Sie hatten nur wegen eines Buches einen Menschen zu Tode gefoltert. Auf der anderen Seite war Marots Tagebuch ein echter Coup, der Traum eines jeden Antiquars. Sollte es wirklich in Sheltons Geheimschrift verfasst sein und Aufschluss über den Tod Ludwigs II. geben, hätte Steven ausgesorgt. Vom Presserummel ganz zu schweigen. Spiegel, Stern, Focus – alle würden darüber berichten.
    Und wenn es eine Fälschung war?
    Spontan musste Steven an die gefälschten Hitler-Tagebücher denken, die der Zeitschrift Stern den größten Skandal der deutschen Mediengeschichte eingebracht hatten. Er beschloss auf alle Fälle vorsichtig zu sein, trotzdem zog ihn das Tagebuch beinahe magisch an.
    Es ist wie eine Droge. Seit ich das erste Mal darin

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