Die Ludwig-Verschwörung
geblättert habe, lässt es mich nicht mehr los …
Mittlerweile waren sie in die Gollierstraße eingebogen und fuhren nun langsam am Antiquariat vorbei. Mit großer Erleichterung stellte Steven fest, dass die Männer ihre Drohung nicht wahr gemacht hatten. Sein Laden war nicht abgebrannt, trotzdem kam er ihm im Dunkeln, mit der nun zum zweiten Mal zerstörten Schaufensterscheibe, trostlos und wenig einladend vor. Das kleine Geschäft, das solange sein Leben bestimmt hatte, schien nicht mehr zu ihm zu gehören, es war wie ein krankes Körperteil, das man abgeschnitten hatte.
»Wir nehmen am besten den Weg durch den Hinterhof«, flüsterte Sara. »Nicht dass ich daran glaube, aber wenn diese Typen das Antiquariat noch beobachten sollten, dann eher vorne und nicht hinten.«
Steven nickte wortlos. Noch immer verharrte sein Blick auf dem schwarzen Loch, das einmal ein Schaufenster gewesen war und an dem sie nun langsam mit dem Auto vorbeiglitten. Kurz hatte er geglaubt, im Dunkel des Ladens eine Bewegung wahrzunehmen. Waren die Guglmänner dort drinnen? Oder vielleicht irgendwelche Vandalen? Der Antiquar blinzelte und versuchte im Inneren des Ladens etwas zu erkennen. Doch er musste sich getäuscht haben. Da war nichts. Keine Bewegung, kein Geräusch, nur ein zerbrochenes Schaufenster.
Sara riss ihn aus seinen Gedanken. »Was ist?«, zischte sie. »Sehen Sie Gespenster? Nun kommen Sie schon!«
Sie hatte den Wagen in der Zwischenzeit in einer spärlich beleuchteten Seitengasse geparkt und stieg gerade aus. Steven folgte ihr und stellte den Kragen seiner dünnen Cordjacke hoch. Bei ihrer überstürzten Flucht hatte er Mantel und Kaschmirschal im Antiquariat gelassen und nur seine Aktentasche mitgenommen. Diese war nun samt ihrem wertvollen Inhalt im Büro der Kunstdetektivin geblieben. Fröstelnd ging er mit Sara zur rückwärtigen Straße, wo ihnen das Tor den Zugang zum Hof versperrte.
»Shit!«, fluchte die Kunstdetektivin. »Und was machen wir jetzt?«
»Lassen Sie mich nur machen.«
Steven drückte einen der vielen Klingelknöpfe neben den Namensschildern und hielt den Finger drauf. Nach einiger Zeit meldete sich eine verschlafene Stimme mit starkem bayerischen Einschlag.
»Himmelsakrament! Wenn das ein Scherz sein soll, dann …«
»Herr Stiebner«, unterbrach Steven. »Ich bin’s, der Herr Lukas vom Antiquariat. Ich hab meinen Schlüssel vergessen. Wären Sie so freundlich und würden mich reinlassen?«
»Na dann …« Ein Summen ertönte, und das Tor ging mit einem Klicken auf. »Dafür schulden Sie mir aber mindestens ein Bier«, brummte die Stimme.
»Einen ganzen Kasten, Herr Stiebner. Echtes König-Ludwig-Dunkel, wenn Sie wollen.«
Grinsend winkte Steven die Kunstdetektivin in den mit wildem Wein bewachsenen Innenhof. Die Hintertür zum Antiquariat stand noch immer offen. Die Männer hatten sich während der Verfolgungsjagd offenbar nicht die Mühe gemacht, sie zu schließen.
»Mein Hauptlager ist unten im Keller«, flüsterte Steven. »Gleich hinter der Tür rechts.«
Sie betraten das Gebäude und wandten sich einer steilen Treppe zu, die nach unten führte.
»Wie viele Bücher haben Sie denn da unten gelagert?«, fragte Sara leise.
»So ungefähr dreitausend.«
»Drei.«
»Keine Angst«, beschwichtigte Steven. »Die sind hübsch sortiert. Wir werden nicht lange brauchen, und dann …«
Sara drückte seine Hand. »Haben Sie das gehört?«
Der Antiquar schwieg und vernahm ein leises Schleifgeräusch. Es kam eindeutig aus dem Keller. Plötzlich war ein heiserer Schrei zu hören, dann das Keuchen von mindestens zwei Männern, ein größeres Regal schien umzustürzen.
»Verdammt, was ist das?«, murmelte Steven und duckte sich in dem engen Treppenhaus. »Das hört sich ganz so an, als fände dort unten ein Kampf statt.«
Jetzt ertönte ein weiterer Schrei, der jedoch schon nach kurzer Zeit in ein Krächzen und Gurgeln überging.
»Irrtum, es hört sich so an, als würde gerade jemand umgebracht!«, rief Sara. »Kommen Sie, schnell! Bevor es zu spät ist!«
Sie eilten die Stufen nach unten und stießen auf eine angelehnte Tür, die in einen dunklen Raum führte. In der Mitte rangen zwei Schatten miteinander; die Umrisse umgestürzter Holzstellagen waren zu erkennen, außerdem ein paar armlange Eisenstangen, mit denen Steven demnächst ein neues Regal bauen wollte.
Hektisch tastete Steven nach dem Lichtschalter links neben dem Eingang. Doch als er ihn endlich gefunden hatte und darauf
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