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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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schon einige Male eine Kutsche gefahren, doch eine zehn Zentner schwere Droschke durch den Verkehr einer Großstadt wie München zu steuern, war doch etwas anderes.
    Das Pferd trabte wiehernd los, und wir passierten das Karlstor, hinter dem die eigentliche Stadt begann. Kinder liefen lachend über die Gasse und klaubten Pferdeäpfel auf, ein blinder alter Soldat tastete sich vorsichtig mit seinem Krückstock voran. Immer wieder näherten sich mir andere Droschken, die nur um Haaresbreite an der meinen vorbeibrausten. München hatte sich in den letzten Jahrzehnten in eine wahre Metropole verwandelt, dementsprechend voll war es auf den Straßen und Gassen. Ich ließ die Peitsche knallen und versuchte, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Insgeheim aber verfluchte ich Dürckheim für seine aberwitzige Idee, mich zum Kutscher zu machen, um auf diese Weise mehr über die Pläne des preußischen Agenten zu erfahren.
    »Wir biegen jetzt in die Maximilianstraße ein«, verkündete ich etwas lauter und fröhlicher als beabsichtigt. »Sehen Sie nur diese prachtvollen Bauten! Ein Meisterwerk der Architektur, welches König Maximilian II. während seiner Regentschaft …«
    »Seien Sie um Gottes willen still, Sie Idiot«, knurrte von Strelitz. »Wenn ich einen Reiseführer brauche, kauf ich mir einen Baedeker. Dort vorne halten Sie gefälligst an.«
    Ich nickte ergeben und zügelte das Pferd vor einem herrschaftlichen Regierungsgebäude, aus dem immer wieder geschäftig dreinblickende Herren mit Zylindern und dicken Ledermappen eilten. Von Strelitz schlug den kleinen Vorhang seines Fensters zur Seite und musterte die Männer. Plötzlich winkte er, und ein vornehmer älterer Herr mit Monokel und Kaiser-Wilhelm-Bart näherte sich unserer Droschke.
    Als ich ihn erkannte, blieb mir beinahe das Herz stehen. Es war kein anderer als der Sekretär Heinrich Pfaffinger, die rechte Hand des bayerischen Ministerratsvorsitzenden Johann von Lutz! Pfaffinger hatte mich im Beisein des Königs bereits mehrmals gesehen. Ich zog meinen Zylinder tief in die Stirn und betete zur lieben Jungfrau Maria, dass er mich nicht erkannte.
    Doch Pfaffinger hatte kein Auge für mich. Er steuerte direkt auf von Strelitz zu, der ihm klappernd die Wagentür öffnete. Der Sekretär grüßte mit einem kurzen Nicken und stieg in die Droschke ein.
    »Zum Schelling-Salon in die Max-Vorstadt«, bellte von Strelitz und klopfte vorne gegen den Verschlag. »Aber etwas mehr Beeilung, wenn ich bitten darf.«
    »Zu Diensten, der Herr.«
    Ich knallte die Peitsche, und wir fuhren die Maximilianstraße zurück bis zur Residenz und von dort in die Ludwigstraße, die von den klassisch-griechisch anmutenden Gebäuden aus der Zeit von Ludwigs Großvater gesäumt war. Leises Stimmengemurmel drang aus dem Verschlag hinter mir.
    Ich spitzte die Ohren und versuchte zu erlauschen, worüber die beiden hohen Herren sprachen. Währenddessen rollten wir auf die Stadtgrenze zu, von wo aus man bereits Schwabing sehen konnte. Das einstige Dörflein lag gleich hinter dem Siegestor und galt unter den braven Bürgern Münchens als wahrer Sündenpfuhl. Viele Studenten und Künstler trieben sich dort herum, man munkelte von nächtelangen Orgien und bacchantischen Festen.
    »Wird Ihr Mann kommen?«, hörte ich jetzt hinter mir durch den Verschlag hindurch leise die Stimme des Agenten.
    »Ich habe ihm absolutes Stillschweigen zugesichert«, antwortete Pfaffinger. »Deshalb auch der ungewöhnliche Treffpunkt. Die Sachlage ist äußerst prekär.«
    »Das weiß ich selbst. Aber Bismarck macht seine Entscheidung nun mal davon abhängig, dass das abschließende Gutachten hieb- und stichfest ist. Wenn nicht, kann das eine Revolution in Bayern bedeuten. Und wenn wir nicht aufpassen, wankt bald das gesamte Deutsche Reich.«
    »Natürlich, aber wenn der König zu früh davon erfährt …«
    »Pssst«, unterbrach ihn von Strelitz. Er klopfte gegen die dünne Holzwand. »Mach Er einen Bogen durch Schwabing. Ich will meinem Gast noch ein paar Etablissements zeigen.«
    »Aber warum durch Schwabing?«, fragte Pfaffinger verwundert. »Das ist doch ein Umweg.«
    »Ich möchte vermeiden, dass uns jemand folgt«, erwiderte von Strelitz leise. »In den engen Gassen können wir besser untertauchen.« Zu mir nach vorne gerichtet rief er: »Heda, das ist keine Sonntagsfahrt zum Englischen Garten. Also beeil Er sich!«
    »Sehr wohl, der Herr.«
    Im zügigen Tempo passierte ich das Siegestor und steuerte die

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