Die Ludwig-Verschwörung
murmelte Dürckheim. »Ich habe Nachricht erhalten, dass Bismarck …«
»Schluss jetzt mit dem Getratsche!« Der König deutete auf den Postillon Hesselschwerdt, der im letzten Jahr zu einer Art zweiten Adjutanten aufgestiegen war. Ich hielt den kleinen Wendehals für einen heuchlerischen Speichellecker, doch leider war Ludwig ihm neuerdings mit Haut und Haar verfallen.
»Der gute Hesselschwerdt wird schon nächste Woche versuchen, an Gelder aus dem Ausland zu kommen. England, Venedig, Genua – nicht wahr, Hesselschwerdt?«
Der schmale Postillon, der unter seinem türkischen Kaftan noch lächerlicher aussah als wir Übrigen, nickte ergeben. »Sehr wohl, Euer Majestät«, säuselte er. »Immer zu Diensten.«
Ludwig ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. »Und jetzt lasst uns weiter meinen Geburtstag feiern«, schnurrte er wie ein fetter zufriedener Kater. »Ich habe hier ein wunderschönes Märchen gefunden, das ich gerne zum Besten geben möchte. Compris ?«
Etwas später standen Dürckheim und ich draußen auf dem Balkon der Jagdhütte. Schweigend blickten wir auf die vielen Lichter der Freudenfeuer, die langsam um uns herum verglimmten. Obwohl es August war, wehte ein eiskalter Wind über den Berg.
»Was in Gottes Namen haben Sie vorhin gemeint, als Sie von einem Attentat sprachen?«, begann ich schließlich. »Sie haben Bismarck erwähnt. Meinen Sie wirklich, dass …«
»Psst.« Dürckheim legte den Finger vor den Mund. »Nicht einmal hier auf dem Schachen weiß ich, wem ich noch trauen kann. Dieser Postillon Hesselschwerdt bläst, was der König hören möchte. Schranze, vermaledeite!« Er trat mit dem Fuß gegen den Balkon, während von drinnen die monotone Stimme des Königs ertönte. Ludwig war mittlerweile bei seinem dritten Märchen angelangt.
»Aber Sie haben recht«, sagte er schließlich. »Ich habe tatsächlich etwas erfahren, was mich unruhig macht. Ich kenne ein paar Leute im Innenministerium. Man munkelt, dass ein Mann Bismarcks schon bald nach München kommen soll. Es ist kein anderer als Carl von Strelitz, ein Agent, den der Kanzler in …« Er fuhr sich kurz mit dem Finger über die Kehle. »… nun, eher delikaten Angelegenheiten einsetzt. Von Strelitz hat schon für die unterschiedlichsten Mächte gearbeitet. Er gilt als einer der besten Spione Europas, und vor allem einer der tödlichsten.«
Mein Herz setzte einen Moment lang aus. »Sie glauben wirklich, dass der deutsche Reichskanzler Ludwig umbringen lassen will?«, fragte ich mit heiserer Stimme. »Aber warum?«
Graf Dürckheims Stimme war nun so leise, dass ich ihn kaum noch verstehen konnte. »Wissen Sie noch, wie der König das letzte Mal gegen die Preußen gewettert hat?«, flüsterte er. »Dass er sein Königreich lieber den Österreichern vermacht, als weiter unter der Knute der Hohenzollern im Reich zu bleiben?«
Ich nickte zögerlich. Tatsächlich hatte es Ludwig nie verwunden, dass Bayern am Anfang seiner Regentschaft den Krieg gegen Preußen verloren hatte und daraufhin 1870 an der Seite der geschmähten Hohenzollern gegen Frankreich kämpfen musste. Damals hatte der Deutsche Bund gewonnen, und der Preußenkönig Wilhelm, immerhin ein entfernter Onkel Ludwigs, spielte sich seitdem als deutscher Kaiser auf. Schon des Öfteren erwägte Ludwig seitdem, die Königskrone den Österreichern zu geben und einfach abzudanken.
»Bismarck langt es allmählich«, fuhr Dürckheim leise fort. »Wenn Bayern aus dem Reich ausschert, ist der Traum vom einig deutschen Vaterland ausgeträumt. Der Reichskanzler denkt schon länger daran, Ludwigs Onkel Luitpold als Herrscher einzusetzen. Da steht der jetzige König natürlich im Weg …«
Die letzten Worte hingen bedrohlich in der Luft. Unter dem dünnen Kaftan begann ich zu frösteln.
»Vielleicht soll von Strelitz aber auch nur die Lage in München sondieren«, flüsterte Dürckheim. »Auf alle Fälle müssen wir vorsichtig sein.«
»Was schlagen Sie vor?«
Der Graf sah mich einen Moment lang nachdenklich an. »Trauen Sie sich zu, diesen Strelitz zu observieren?«, fragte er schließlich.
»Ich?« Ich spürte, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich. »Aber ich bin kein Gendarm, kein Kommissar, sondern nur ein Arzt. Ich glaube kaum …«
»Theodor, ich bitte Sie!« Noch nie zuvor hatte mich Dürckheim mit meinem Vornamen angesprochen. »Ich habe keinen mehr, dem ich trauen kann! Das Innenministerium unter Feilitzsch hat sich schon lange vom König abgewendet, und auch
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