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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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aber seine Klamotten waren immer allererste Sahne.«
    »Wenn man auf Kapuzenpullis steht und auf Hosen, die einem bis in die Knie hängen, keine Frage. Und jetzt machen Sie endlich das verdammte Radio aus, bevor die noch einmal meine Beschreibung durchgeben!«
    »Zu Befehl, Herr Stabsunteroffizier.«
    Sara knipste das Radio aus, während Steven aus dem Fenster starrte, wo im Außenspiegel sein müdes unrasiertes Gesicht zu erkennen war. Er trug eine silbern glänzende Ray-Ban-Sonnenbrille und darüber eine Baseballmütze mit den Initialen der New-York-Yankees. Sein weißes Baumwollhemd hatte er gegen ein T-Shirt eingetauscht, auf dem sämtliche Konzerttermine von Bon Jovi aufgedruckt waren. Darüber trug er eine abgewetzte Lederjacke mit Schulterpolstern, und statt der Cordhose mit Bügelfalte eine zerrissene Bluejeans. Er sah aus wie ein amerikanischer Rucksacktourist, der Deutschland nur mit einem einzigen Ziel besuchte – sich auf dem Oktoberfest brutalstmöglich zu besaufen.
    »Ich bin angezogen wie im Fasching«, murmelte er. »Nur, dass jetzt Oktober ist. Was ist er überhaupt von Beruf, Ihr toller Exfreund David?«
    »Reporter von irgend so einem Trend-Magazin«, erwiderte Sara schulterzuckend. »Da muss man so aussehen. Ist sozusagen deren Uniform.«
    »Na wunderbar, ich wusste, dass Sie auf solche Typen stehen.« Steven schob sich die Mütze tief ins Gesicht, als ihnen ein Wagen auf der Gegenspur entgegenkam. »Am besten ich interviewe mich gleich selbst. Ein Antiquar als durchgeknallter Büchermörder. Gibt ’ne tolle Headline.«
    »Nun stellen Sie sich nicht so an, Herr Lukas«, erwiderte Sara und schaltete in den vierten Gang. »Es sieht wirklich nicht so übel aus, sogar einigermaßen attraktiv, wenn Sie’s genau wissen wollen. Außerdem erfüllt es seinen Zweck. Oder hat sich im Drogeriemarkt jemand nach Ihnen umgedreht, hm?« Sie zwinkerte ihm zu. »Ich finde übrigens, die Jacke passt weitaus besser zu Ihrem Namen als Ihr langweiliger brauner Cordanzug.«
    »Nur, weil ich in den Vereinigten Staaten geboren bin, muss ich nicht aussehen wie ein verwöhnter High-School-Trottel aus Boston«, knurrte Steven.
    »Sie sind tatsächlich Amerikaner? Lassen Sie das bloß nicht die Mädels wissen. Die halten Sie am Ende noch für irgendeinen Rockstar und wollen mit Ihnen aufs Zimmer.«
    Steven schüttelte genervt den Kopf. »Sehr witzig, Fräulein Lengfeld. Am besten, Sie konzentrieren sich jetzt wieder aufs Fahren.«
    Tatsächlich waren sie noch in München in ein kleines Schwabinger Geschäft gegangen, um für ihn eine Zahnbürste, Rasierzeug und ein Deo zu kaufen. So wie es aussah, würde er auf seine Hygieneartikel zu Hause noch eine Weile verzichten müssen. Die junge Kassiererin hatte ihn angelächelt, und die wenigen Damen, die ihn musterten, taten dies mit einem äußerst gefälligen Blick. Widerwillig musste sich Steven eingestehen, dass seine Verwandlung in einen Mittdreißiger mit Midlife-Crisis bei den meisten Menschen weniger auf Verwirrung, sondern eher auf Wohlwollen stieß. Trotzdem fühlte es sich einfach … falsch an. Das war nicht er, und er war sicher, dass die Leute das früher oder später spüren würden.
    »Von hier ist es höchstens noch eine Stunde nach Linderhof. Eine dreiviertel, wenn ich aufs Gas drücke.«
    Mit quietschenden Reifen bog Sara auf die Garmischer Autobahn und reihte sich ein in den Verkehr, der jetzt am frühen Nachmittag noch einigermaßen erträglich war. Die Herbstsonne schien durch die Windschutzscheibe, Linden und Buchen mit bunten Blättern säumten die mehrspurige Straße, die Alpen leuchteten im Fönwind. Sie fuhren direkt auf die Berge zu, die aussahen, als wären sie nur einige wenige Kilometer entfernt. Schon bald hatten sie die Stadt hinter sich gelassen, links und rechts von ihnen tauchten hinter dem Meer aus Bäumen die Zwiebelkirchtürme einzelner Dörfer auf.
    Es könnte ein netter Ausflug sein, dachte Steven. Aber leider werde ich als irrer Mörder und Folterer gesucht.
    Sein Blick fiel zum wiederholten Mal auf den kleinen armeegrünen Rucksack auf seinem Schoß. Darin befand sich, eingewickelt in eine schnöde Tchibo-Plastiktüte, der hölzerne Behälter mit den Fotografien, der Haarlocke und dem Tagebuch. Auch den Notizblock mit der bisherigen Übersetzung hatte er mitgenommen. Kurz war Steven versucht, das Bündel einfach aus dem Fernster zu werfen. Das verfluchte Tagebuch hatte sein Leben durcheinandergewirbelt wie ein Orkan mit Windstärke zehn.

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